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CD-REVIEWS
URS WIDMER - MICHAEL
RIESSLER
Das Buch der Albträume
Intakt CD 180
Ulrich Steinmetzger, Thüringischen Landeszeitung (Weimar), 16. Oktober 2010
Wie schon Abbara (Intakt
CD 140), die Wort-Klang-Session von Rafik Schami & Günter Baby
Sommer, entstand auch Das Buch der Albträume (Intakt CD 180) in
Kooperation von Intakt und Steinbach Sprechende Bücher. URS WIDMER
liest, MICHAEL RIESSLER macht dazu Musik, mit Bassklarinette, Zither,
allerhand Spielzeug. Widmer, Jahrgang 1938, geborener Baseler, jahrelang
Frankfurter, heute Züricher, ist als fleißiger Hörspielmacher
ein Schreiber, der Akustisches mitdenkt. Sein Buch der Albträume
von 2000 hat zudem noch einen visuellen Ursprung, denn Zeichnungen von
Hannes Binder hatten dabei die Schreibphantasie angeregt. Einer seltsamen
Fauna spinnt Widmer da in ein sinistres, groteskes, albgebeuteltes Nachtleben
ein – Frosch, Lamm, Zottelbär, Stockfisch, Ferkel, Motte,
Murmeltier, Ochse, Heringshai, Igel, Grünling, Haubentaucher, Schnorchelhuhn,
Fledermaus und viele andre mehr. Die Nacht ist die Axt, die dich spaltet,
Meerschweinchenartiger ist immerhin ein Satz, der erst mal gedacht sein
will. Der Katze hängen die Därme aus dem Leib, die Wände
schwitzen Blut, zartbesaitet sind Widmers Fabeleien nicht. Er ist ein
seltsamer Franziskus, der den Tieren Schauriges predigt. Er malt ihnen
mit eindringlicher Stimme vors innere Auge jähe Katastrophen, Folter,
fleischfressende Pflanzen und Dämonen, die die 'Pfähle ihres
Gebisses‘ in sie schlagen werden. Einem ans Kreuz geschlagenen
Axolotl zeigt er im Spiegel seine Witzfigur usw. Widmers tierische Ernstfälle
sind Witze zum Grausen. Riessler findet dazu launige Geräusche,
meist jedoch schmurgelt er, zirkularbeatmet, durchdringenden Traumstoff.
Denn wenn Träume erklingen, dann als Bassklarinette, was sonst?
Und wenn Dichter albträumen, dann finden sie sich auf einem Teller
und Messer und Gabel setzen schon zur Kostprobe an.
Ulrich Steinmetzger, Jazzpodium, Deutschland, 11/2010
Ulrich Steinmetzger, Berner Zeitung, 2.12.2010
I can't say that I was familiar with Urs Widmer before this but I do know if Michael Riessler from a couple of discs he did with Tomas Stanko on the New Edition & one on Label Bleu. Considering that I don't understand Swiss from the German or French sides of the country, I still find this duo quite appealing. Mr. Riessler is one of the best bass clarinet players I've heard, spinning intense lines like a magician casting spells. Mr. Widmer has written his own texts and speaks them (from the German side) passionately as if telling a story or making astute observations on life. There is a strong, solid ongoing dialogue going on between the two men. Although there are 22 mostly short pieces, all of the parts are continuous and evoke the vibe of being on a journey. The one thing I noticed most is that the sound of Riessler's bass clarinet is close to that of the human voice, equally expressive and a perfect match for Widmer's equally dynamic voice. Reissler also plays some mandolin here and there, banging on it as well as plucking a few notes. This adds a more minimal yet no less necessary part of the dialogue. It is too bad that I don't own a universal translator like they have on Star Trek, then I would have a better idea of what Mr. Widmer is saying. Either way this duo is still pretty great.
Käl, Südwest Presse, Deutschland, 24. November 2010
Klaus Hübner, Jazzthetik, Deutschland, Jan/Feb 2011
Johannes Anders, Jazz n' More, Schweiz, Januar / Februar 2011
Wenn Widmer - den meisten wahrscheinlich in letzter Zeit durch "Top Dogs" im Kopf geblieben - hier seine schwarzen Text-Miniaturschatullen öffnet, kommt man sich ein wenig vor wie der arme Typ, der in Goyas "El sueno de la razón produce monstruos" seinen müde gewordenen Kopf auf den Schreibtisch legt und Ungeheuerliches erweckt: bizarre, skurile und überaus abgründige Themen gerinnen zu Albträumen, die aber stets mit der sozialen Wirklichkeit dieser Welt verbunden bleiben. Die hier von Widmer vorgetragenen 22 Skizzen und Kurztexte werden von der Baßklarinette Riesslers brillant begleitet, pointiert und akzentuiert. Es ist eine abschüssige Welt, die sich hier -meist tierparabelhaft - öffnet, und in der man keiner Gestalt und keinem Wort wirklich trauen kann. Grausamkeiten werden nahezu verniedlicht und als selbstverständlich dargestellt. Ist das nun provokant? Nicht mehr und nicht weniger als die Welt, in der wir leben und die Maske, an der wir kleben. Es wird Zeit, die Welt zu ändern und die Maske abzureißen. Was aber, wenn die Maske schon so mit dem Gesicht und der Weltoberfläche verwachsen ist, dass es beim Reißen schmerzt und blutet?
MZG, Südkurier, Deutschland, 13. April 2011
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