INTAKT RECORDS – CD-REVIEWS


LUCAS NIGGLI BIG ZOOM

POLISATION

Intakt CD 174

 

LUCAS NIGGLI hat für Polisation (Intakt CD 174) BIG ZOOM neu aufgestellt. Neben dem Zoom-Kern aus dem Gitarristen Philipp Schaufelberger und dem Posaunisten Nils Wogram spielt nun Barry Guy am Kontrabass und Anne La Berge an Flöten & Electronics. Letztere, die auch als Partnerin von Lukas Simonis das BA-Hörfeld kreuzt, ist ein bewusst gesetzter spitzer Kontrast zu Wograms nöckischem Röhren und Brusten im Mississippidelta und an den Quellen des Nils. Guy revanchiert sich für Nigglis Beitrag im London Jazz Composers Orchestra mit seinem stupenden Pizzikato und bildet zusammen mit Schaufelberger eine ebenso feingliedrige Stringsection wie - nimmt man noch Nigglis polymobile Perkussion dazu - virulente Binnenrhythmusabteilung. Vorneweg zieht aber Wogram blubbernde Kreise, die bei ‚Polarisation 3' durch westafrikanisch-westindische Gefilde wirbeln. Mehrfach folgt die Flöte der Posaune im Unisono als heller Schatten. Ihre Electronics liefern dazu nicht etwa Beats, sie modulieren (nur) - ähnlich wie bei C. Bechegas oder D. Bruinsma - den Flötensound. Niggli flickert, federt, rasselt, zischt dazu leichthändige Beats. Nicht allein bei ‚Nirvana', auch bei ‚Polisation 2' lenkt er den panakustischen Strom über Genrekonventionen hinweg durch luftige, schwebende, flirrende Zonen entlang des Wendekreises des Krebses, von Gitarre und Bass vielfingrig bekrabbelt und mit der Flöte als Teufels Blasebalg. Man braucht nicht Arno Schmidts zettl's-träumerische Etymologie, um den Titel als Hinweis zu verstehen auf polystilistisches Ausschweifen, angeregt durch Vareses ‚Ionisation' (verSchmidts ‚Yonisation'). Guy brilliert 4 Minuten vor dem Ende mit einem seiner unglaublichen Traktate, in das Niggli mit einfällt und Wogram mit Melodica, für einen finalen Groove des ganzen Kollektivs, das seine Turbulenzen mit einem allerletzten Schnörkel signiert.
Rigobert Dittmann, Bad Alchemy 68, Deutschland, Winter 2011

 

Das neue, etwas anders klingende Konzept, Big Zoom von Lucas Niggli, ist wieder von erfrischender Experimentierlust und radikaler Fokussierung geprägt. Zur Stammbesetzung mit dem Gitarristen Philipp Schaufelberger und dem Posaunisten Nils Wogram sind die amerikanische Flötistin und Elektronikerin Anne La Berge und der charismatische Bassist Barry Guy dazu gekommen. Damit entwickelt sich das Projekt weiter in Richtung ‚Modern Music‘, ohne die Vorzüge der freien Jazzimprovisation aufzugeben, die sich aus dem musikalischen Gesamtbild mit individueller Pointierung herausschälen, dem Ganzen dadurch die reine Virtuosität einer reinen, gut geölten Klangmaschinerie nimmt, es mit Humor und Sinnlichkeit auflädt, dem Geschehen die notwendige Lebendigkeit und Frische einflößt, die man braucht, um als Zuhörer der Konserve nicht nur intellektuell gefordert zu werden (Beispiel: „Polisation III“). Ich freue mich schon auf so manchen Liveauftritt dieser Band. (mitter)
felix, freistil 35, Jan-Feb 2011, Österreich

 

Improvisation ist eine Haltung

Der Schweizer Perkussionist LUCAS NIGGLI im freiStil-Gespräch über die Sinnlosigkeit von Genre-Grenzen, die Spannweite seiner vielen verschiedenen
Formationen und deren repräsentativen Querschnitt bei den JazzTagen in Bludenz

freiStil: Lucas, du bist von 11. bis 13. März Artist in Residence beim Jazzfestival
in der Remise Bludenz/Vorarlberg. Ich nehme an, du wirst dort
einen Querschnitt durch dein aktuelles Schaffen präsentieren. Wie wird
das aussehen, und wie bist du zu dieser Gelegenheit gekommen?


Lucas Niggli: Im März 2010 hat zum ersten Mal dieses Artist-in-Residence-
Projekt im Rahmen des Jazzfestivals Bludenz stattgefunden – damals war
Peter Herbert Gastgeber und Kurator des Programms, eines hochkarätigen
Programms! Miriam Schreinzer, die Geschäftsführerin der Bludenz Kultur
GmbH hat mich für 2011 eingeladen, drei Abende nach meinem Gusto zusammenzustellen – die einzige Vorgabe war, an einem Abend auch ein Projekt mit
jüngeren MusikerInnen aus der Region zu machen, wo ein speziell dafür erarbeitetes
Programm zur Uraufführung gelangen soll. Das ist natürlich ein Riesengeschenk!
Es ist schon sehr besonders, alle meine aktuellen Formationen,
Projekte, Bands und Freundschaften in so konzentrierter Weise präsentieren
zu können. Mit diesem Programm zeige ich doch ziemlich repräsentativ mein
momentanes Schaffen – nur meine Working Band ZOOM bzw. BIG ZOOM
fehlt – da haben die Daten nicht passen wollen, und wir spielen ja im Jänner
bereits auf der CD-Release-Tour in Vorarlberg.

Bevor wir auf andere Aspekte deines Werdegangs und deines Selbstverständnisseseingehen, versuchen wir doch – dein Einverständnis vorausgesetzt– aus der Breite deines musikalischen Spektrums ein paar Einzelteileheraus zu nehmen und punktuell unter die Lupe zu nehmen. Fangen wirvielleicht bei dem Bandprojekt an, durch das ich dich kennengelernt habe:
Steamboat Switzerland.

Ich liebe diese Band: Dieses Trio mit Marino Pliakas und Dominik Blum
existiert nun seit 15 Jahren. Und wir sind immer noch wie eh und je am
Experimentieren an der Verschmelzung, dem Aufeinanderprallen von Kompositionen,
welche wir bei befreundeten Komponisten bestellen, mit unseren
eigenen Walls-of-Sounds. Steamboat Switzerland ist für mich ein Glücksfall
von einer Workingband – es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Kollektiv,
wo eine tolle Synergie herrscht, ein blindes Verständnis in der musikalischen
Interaktion, nach all den tausenden von Straßen und Bühnenkilometern – wir
gehen kompromisslos unseren Weg.
Es ist eine Band, die sehr schwierig einzuordnen ist – das widerspiegeln
auch unsere Tourpläne. Wir können locker im Keller eines besetzten Hauses
für die Türe spielen und kurz darauf in einem hochsubventionierten Kulturtempel.
Das ist für mich wahre Freiheit. Die Qualität der Arbeit ist immer
vordergründiges Kriterium, deshalb proben wir viel, und unsere CDs sind
alle extrem sorgfältig und genau produziert. Mittlerweile haben die wichtigen
großen Festivals für zeitgenössische und/oder grenzüberschreitende Musik die
Qualität in unserer Arbeit erkannt. So konnten wir in Donaueschingen, Huddersfield,
Ultima Oslo, Maerz Musik Berlin und vielen anderen Festivals für
Neue Musik Werke, die für unser Trio geschrieben wurden, uraufführen. Ich
habe dank der Zusammenarbeit mit Dominik und Marino auch viel mehr Einblick
und Praxis in die und mit der Neuen Musik erhalten. Die neue Generation
von Komponisten arbeitet auch gerne eng mit den Ensembles zusammen
und kennt sich aus mit Verstärkern, Elektronik und abgefahrenen Grooves.

Improvisierte Musik heißt für dich offenbar nicht, sich auf ein Genre
zu beschränken, sondern bedeutet stilistische Offenheit. Wie würdest du
die Zusammenarbeit mit Xu Fengxia einerseits und Barry Guy & Jacques
Demierre andererseits charakterisieren?

Ja, stilistische Offenheit schon, aber besser noch: Improvisation ist für mich
eine Haltung, und da spielen Stile keine Rolle. Diese Art zu musizieren ist mir
in all den Jahren die liebste geblieben, diese Unmittelbarkeit im Instant Composing,
wo Raum, Zeit, Publikum, Energie und all die unzähligen Faktoren zusammenspielen
– und manchmal unglaubliche Momente entstehen können ...
Mit Fengxia bezeichnen wir unsere Musik als Contemporary World Music.
Diese Musik ist klar inspiriert von der chinesischen traditionellen Musik,
geprägt auch durch ihre Instrumente und den Gesang. Doch ist es eine hundertprozentig
improvisierte Musik, wo aber ganz klar auch oft uns sehr be-
kannte "Muster" einbezogen werden, die sich so in den sechs Jahren unseres
Zusammenspiels entwickelt haben.
Mit Barry und Jacques ist es eine Hochenergie-Musik, ein Trio, wo die
musikalische Sprache sehr von der Neuen Musik und dem Freejazz beeinflusst
ist, ein Trio ohne Leader und Grenzen oder so Zeugs. Übrigens machen
Barry und ich im Januar 2012 eine Tournee mit dem wunderbar-verrückten,
hochvirtuosen Pianisten Paul Plimley aus Vancouver.

Die aktuellste CD-Neuerscheinung unter deiner Mitwirkung ist "Polisation"
von Big Zoom. Erklärst du uns bitte die Hintergründe des Trios Zoom sowie
der Expansion auf Big Zoom?

Meine Arbeit in den neunziger Jahren war geprägt vom Mitspielen in
vielen verschiedenen Bands, mit Pierre Favre Singing Drums, mit Steamboat
Switzerland, in Jazzquartetten, mit SängerInnen, Neue Musik-Ensembles ...
dann fünf verzehrende Jahre als Geschäfstführer des Swiss Musicians Own
Label – UNIT ... Irgendwann habe ich mich gefragt, wo denn eigentlich meine
wirkliche Persönlichkeit in den Tönen steckt. Irgendwie konnte ich überall
mitwirken, war mir aber nicht sicher, wo der Kern liegt. Alles hat mich inspiriert,
alles interessiert – und die Unübersichtlichkeit war groß.
Da habe ich mit ZOOM und später BIG ZOOM ein Vehikel geschaffen, um
meine eigene Musik zu komponieren. Zu versuchen, dieses Anything-goes
durch deinen Trichter zu lassen und in luftig-leichter Besetzung zum Tönen
zu bringen. So ist ZOOM eigentlich fast eine Art Selbsthilfeprojekt gewesen.
Das hat riesig Spaß gemacht, und ich hatte auch fantastische Mitmusiker
im Boot. Nun sind es auch plötzlich mehr als zehn Jahre geworden, wo wir
zusammen intensiv arbeiten. Der Kern von ZOOM – Nils Wogram und Philipp
Schaufelberger – ist auch bei allen Extensions dabei. Das waren sechs Jahre
lang Peter Herbert und Claudio Puntin und nun seit zwei Jahren Anne La
Berge und Barry Guy. Dazwischen habe ich mit dem Arte Quartet und mit dem
Ensemble Neue Musik Zürich Produktionen gemacht. Das waren schon große
Herausforderungen für mich als autodidaktischen Komponisten.

Einen speziellen Stellenwert in deinem aktuellen Schaffen scheint die
Person Felix Profos einzunehmen. So hast du auf der einen Seite eine
prächtige Perkussions-Duo-Platte mit Conradin Zumthor aufgenommen
(übrigens eine der damaligen freiStil-Monatsplatten). Auf der anderen
Seite interpretierst du Profos-Kompositionen, und hier schließt sich der
Kreis, auch auf der neuen Platte von Steamboat Switzerland. Was ist aus
deiner Sicht das Besondere an Felix Profos?

Und erwähnen müssen wir auch das Septett von Felix Profos, seine eigene
Band mit dem Namen Force Majeur (http://www.fel-x.ch/html/forcemajeure.
html), wo ich zusammen mit Christian Weber (Kontrabass) und Vera Kappeler
(Klavier) mitspiele. Da erscheint im Frühling die CD, eine sehr schöne,
irgendwie schlichte und doch sehr tiefgründige Musik.
Felix ist ein großartiger Musiker, Komponist und radikaler Tonkünstler. Er
arbeitet extrem akribisch und präzis, kann sich sehr gut in die Klangwelten
von Musiker einfühlen – und hat eine extreme Offenheit, geht gerne in die
Extreme. Alles Parameter, die mir auch wichtig sind in der täglichen "Arbeit".
Seine Stücke sind oft sehr anspruchsvoll zum Spielen und benötigen auch
eine enorme Präzision, damit sie funktionieren. Seine rhythmische Sprache
ist wirklich etwas ganz Eigenes, seine Mikrotonalität betörend eingesetzt. Oft
arbeitet er mit einer Art Verschmutzung, viele Fast-Wiederholungen und doch
keine, eine absolute Anti-Dramatik. Und da unterscheidet er sich glücklicherweise
stark von mir als Improvisator.

Du bist 1968 in Kamerun zur Welt gekommen, bevor du in Jugendjahren
in die Schweiz kamst. Denkst du, dieses biografische Detail spielt für deine
spätere Offenheit verschiedensten Musiken gegenüber eine Rolle? Oder hat
das mehr mit anderen Sozialisierungsprozessen zu tun?

Hm, das werde ich oft gefragt, und ich kann es leider immer noch nicht
genau beantworten. Vielleicht wenn ich mal eine Psychoanalyse machen will/
soll ... Kamerun war für mich schon sehr prägend – für den Menschen Lucas
ganz sicher, und da ist der Musiker ja auch Teil davon. Von Gerüchen, Sounds,
Geschmäckern, Temperaturen, Bewegungen, Vibes eben, die die ganze Zeit um
mich herum waren: Das ist prägend. Ich kann es aber nicht in Worte packen.

Bei unserem letzten Aufeinandertreffen hast du mir erzählt, dass deine
Mitwirkung im Trio von Erika Stucky durchaus nicht ungeteilte Zustimmung
unter deinen KollegInnen hervorgerufen hat. Da ich diesen Punkt
für ein grundlegendes Problem im weit verbreiteten Musikverständnis halte,
bitte ich dich an dieser Stelle nochmals um Präzisierung.

Es war oder ist eben interessant zu beobachten, dass bei den "freiesten"
MusikerInnen doch oft auch viele Dogmen oder Vorurteile hartnäckig kleben
bleiben. Es herrschen (sicher sehr oft unbewusst) klare Richtlinien, was geht
und was nicht, was gerade in den Kanon passt und was nicht! Aus der Angst,
zuwenig radikal zu sein, will man klare Position beziehen (was ich eigentlich
gut finde), oder man will sich irgendwie abgrenzen. Und schon haben wir
das Wort Grenze wieder im Spiel. Etwas, das mich in der Kunst nun wirklich
nicht interessiert.
Klar ist das Projekt mit Erika Stucky vom Ästhetischen her etwas ganz
anderes als das Meiste, was ich tue. Es ist abgefahrenes Entertainment, eine
witzig-poetische, eine sehr genaue Arbeit, voller Details und Doppelgründigkeiten,
authentisch, anspruchsvoll in der Bühnenpräsenz, ein Spiel mit Ironie,
Charme, Verwegenheit. Also Dinge, die mich interessieren. Ihre Show steckt
voller improvisatorischer Überraschungen – und sie ist erfolgreich. Da steckt
eventuell der Hund begraben. Wir Schweizer sind die Meister im Zelebrieren
einer Mediokrität. Und darum ist etwas, das Erfolg hat, erstmal verdächtig.
Und Erika hat sehr viel Erfolg, arbeitet hart dafür, und ich bin sehr gerne als
ihr Sideman mit dabei.

Dein allererstes Bandprojekt, seit du in Uster bei Zürich ansässig bist, hieß
Kieloor Entartet. Was hatte es mit dieser Combo auf sich? Waren darin
schon spätere Entwicklungen angelegt?

Ja dieses Trio war extrem wichtig für mich. Wir haben als 19-jährige
Burschen in einer WG zusammengewohnt, Musik gehört, Musik gemacht,
die Welt neu vermessen, wie man das so tut in langen Nächten, und abgefahrenste
Ideen und Programme entwickelt. Wir waren an den Darmstädter
Musiktagungen zu Gast wie an Jazz-Seminaren in Siena, haben uns durch
den Büheneingang regelmäßig in die Tonhalle geschlichen und mussten nach
Jazzkonzerten in der Roten Fabrik oder Jam-Sessions die Nacht auf dem
Hauptbahnhof Zürich im leerstehenden "EC Wiener Walzer" verbringen, bis
der erste Zug uns am Morgen wieder ins Zürcher Oberland gefahren hat. Es
gab nur ein Thema: Musik!
In diesem Klima von "Sturm und Drang" habe ich angefangen zu "komponieren".
Und wenn ich in diesen ersten CDs mich herumhöre, da steckt
schon sehr vieles drin: der Umgang mit Multistilistik, das Verschmelzen von
notierter und improvisierter Musik, das ist schon erstaunlich!

Noch eine Frage zu deinem Lebensmittelpunkt Schweiz. Du warst vor
einiger Zeit Mitbegründer des Label Unit Records und ein paar Jahre lang
dessen Geschäftsführer. Wie war die Situation damals, und wie hat sich
die Geschichte autonom bzw. kollektiv geführter Plattenlabels aus deiner
Sicht fortgesetzt?

Mitbegründer ist nicht richtig. Ich habe das Label nach einer über zehnjährigen
Existenz zur Blütezeit von Pius Knüsel, dem heutigen Direktor der Pro
Helvetia, übernommen. Und dann fast fünf Jahre intensiv dafür gearbeitet!
Es ist schwierig, diese Frage zu Früher und Heute in zwei Sätzen zu beantworten
– da steckt Material für eine Studie drin, zum Thema Solidarität in der
Szene, Selbstvermarktung, Vertriebsstrukturen, die Großen und die Kleinen,
bis hin zu den Subventionsstellen. Ich bin sehr froh, dass Intakt Records meine
Heimat ist – da wird auf höchstem Niveau richtige Verlagsarbeit geleistet.

Liegt dir zurzeit etwas besonders am Herzen, das ich dich zu fragen vergaß?

Ach, ich denke wir könnten uns leicht eine Nacht bei einer guten Flasche
unterhalten. Das wär mir, wie in der improvisierten Musik, weil interaktiver,
fast lieber.

freistil 35, Jan-Feb 2011, Österreich

 

 

 

Turnhalle im Progr
«Ich verstehe mich als Klangarchitekt»

Von Helen Lagger

Der Schlagzeuger und Komponist Lucas Niggli spricht im Interview über seine Kindheit, seine Suche nach der eignen Identität und sein neues Album «Polisation».

Lucas Niggli, Sie präsentieren mit Ihrer Band Big Zoom das neue Album «Polisation». Wie fanden Sie in jungen Jahren eigentlich zur Musik?


Ich bin in Afrika aufgewachsen, meine Eltern leisteten in den späteren 60er-Jahren Entwicklungshilfe in Kamerun. Da da war es naheliegend, dass ich die Trommel entdeckte. Gut möglich, dass mich das später zum Schlagzeugspielen animierte. Als ich schulpflichtig wurde kehrten wir zurück in die Schweiz.

Hat Afrika Sie trotz der Rückkehr beeinflusst?

Ich glaube, dass Afrika bis heute auf meine Musik nachwirkt, doch auch die klassische Musik des Elternhauses hat mich stark geprägt.

In den 80er-Jahren spielten Sie mit der Band «Kieloor Entartet». Das war Ihr Durchbruch.

Wir waren damals so etwas wie die frechste Jazz-Band und unser Album «No more beer» ein grosser Erfolg. Ich spielte am Schlagzeug und komponierte eigene Stücke. Gleichzeitig spielte ich aber auch als Sideman in verschiedenen Bands. Mit der Zeit wuchs mir alles ein bisschen über den Kopf. Ich musste meine Identität erst noch finden.

Wie fanden Sie diese Identität?

Im Jahr 2000 gründete ich gemeinsam mit Nils Wogram (Posaune) und Philipp Schaufelberger (E-Gitarre) die Band Zoom und fand zu meiner eigenen Handschrift. Wir sind Musiker, die fertige Kompositionen spielen aber ebenso improvisieren können. Wir arbeiten oft mit anderen Musikern zusammen, wie etwa kürzlich mit dem Basler Arte-Quartett, und erweitern so unseren Horizont. 2009 sind der englische Free-Jazz-Bassist Barry Guy und die amerikanische Flötistin und Erlektronikerin Anne La Berge dazugestossen. Für unser neuestes Album, «Polisation», haben wir uns viel vorgenommen.

Was heisst das konkret?

Hochkomplexes soll möglichst zwingend und transparent klingen. Eine flexible Umsetzung der Kompostionen ist uns wichtig. Meine Musik hat nichts Narratives. Es geht mir um Energiezustände, Interaktionen und Assoziationen. Komponiert ein Schlagzeuger anders? Oft entwickle ich meine Kompositionen aus dem für mich typischem Schlagzeugspiel heraus, das heisst nicht nur Rhythmen, Energien und Dynamik spielen eine zentrale Rolle, sondern auch Melodien und Klangfarben. Ich habe gerne den Überblick und verstehe mich als Klangarchitekt.

Berner Zeitung, Berner Kulturagenda, 22.1.2011

 

 

Frank von Niederhäusern. Kulturtipp, Schweiz, 3/11

 

 

 

 

Der Schlagwerker Lucas Niggli überzeugte mit "Big Zoom" im Porgy & Bess - Auftritt in Dornbirn am Samstag

Wien - Zu Beginn werden die Ohren gespitzt. Der Raum wird auf seine Eigenschaften als akustischer Sparringpartner getestet, die Musizierenden schicken spontan Sounds und Geräusche in den Saal: Bis sich aus dem dichter werdenden Stimmenkollektiv die Posaune mit einer klar strukturierten Linie herausschält und diesen Sammelpunkt sogleich als Startrampe für die erste, klug durchdachte Soloimprovisation nützt. So pflegt Lucas Niggli, der am Mittwoch sein Quintett Big Zoom im Porgy & Bess vorstellte, Konzerte zu beginnen: im Detail völlig unkalkulierbar, stets aber den "großen Bogen" mitdenkend, formbewusst, zielgerichtet.

Ist doch Niggli, der 42-jährige Zürcher Schlagzeuger, seit gut zehn Jahren als elaborierter Strukturdenker der Improvisation bekannt, als einer, der das freie Spiel an die Leine nimmt, in durchdachte Dramaturgien einfasst, ohne ihm das Feuer, die überraschungsreiche Unmittelbarkeit zu nehmen. In "Polisation", dem neuen Programm des seit 2003 bestehenden Quintetts Big Zoom, tut Niggli dies zurückhaltender als zuletzt, zugleich weniger musikantisch, als man es vom vielseitigen Schlagzeuger kennt. Die Umbesetzung der Band dürfte dafür mitverantwortlich sein: Neben den fixen Partnern, Gitarrist Philipp Schaufelberger und dem phänomenalen Posaunisten Nils Wogram, stehen nun mit Flötistin Anne La Berge und Kontrabassist-Veteran Barry Guy zwei neue Gesichter im Aufgebot.

Auch der Titel legt eine programmatische Fährte: Ist Polisation doch auch von Edgard Varèses bahnbrechender, 1931 vollendeter Schlagzeugkomposition Ionisation inspiriert. In der Musik war dies im Porgy & Bess vor allem durch den perkussiven Grundcharakter zu spüren: Melodische Entwicklungen spielten keine Rolle, erschöpfen sich oft in spröden Riff-Bildungen; stattdessen stellte das auch in entschleunigten Passagen stets spürbare Moment energetischer Vibration und damit Nigglis rastlos brodelnde Schlagzeugarbeit selbst das eigentlich verbindende Element zwischen den drei Teilen der Suite Polisation dar - die am Ende mit tanzbarem Township-Jazz-Groove entließ. Ein beglückender Abend!
Andreas Felber / DER STANDARD, Printausgabe, 28.1.2011

 

Klangwolken und Einzelstimmen
Lucas Nigglis Big Zoom tauft im Moods das neue Album «Polisation»

In afroamerikanischen Musiktraditionen gaben Trommeln einst den Rhythmus vor, und der Bass spielte Grundtöne. So wurde eine vernünftige Ordnung geschaffen, in deren Rahmen die menschliche Natur sich expressiv entfalten sollte. In Gesängen und Instrumentalsolos spannten sich Nerven, Emotionen tobten, Affekte zuckten. Im Jazz hat sich die Rhythm-Section dann mehr und mehr ins expressive Geschehen eingemischt. Die musikalischen Partner wurden durch spontane Pointen und Synkopen der Rhythm- Section immer öfter überrascht, herausgefordert, angestachelt.
Wenn man am Sonntagabend im Moods Big Zoom zuhörte, dem Quintett des profilierten Schweizer Schlagzeugers Lucas Niggli, gewann man den Eindruck, diese Emanzipation erreiche einen neuen Grenzwert, einen stürmischen Höhepunkt. Zusammen mit dem Bassisten Barry Guy schaffte Niggli selber immer wieder flirrend-wuselige Geräuschwolken, die er als Wettermacher über verschiedenste stilistische Kontinente trieb. In Anklängen an Free Jazz, Rock oder Afro-Beat schien nun die alte Ordnung dann und wann nochmals zu rumoren. Und fast glaubte man da und dort das blecherne Echo alter Freiheitskämpfe zu vernehmen.
Lucas Niggli taufte im Moods das Big-Zoom-Album «Polisation» - zusammen mit Nils Wogram an der Posaune und Philipp Schaufelberger an der Gitarre (zu dritt bilden sie das Trio Zoom) sowie mit der amerikanischen Flötistin Anne La Berge und dem britischen Bassisten Barry Guy. Mit den Stücken «Polisation I-III» nimmt der Bandleader und Komponist Bezug auf «Ionisation» (1931), eine wegweisende Komposition für dreizehn Perkussionisten des französisch-amerikanischen Komponisten Edgar Varèse. Das «Poli-» steht wohl für Polystilistik.
Nigglis neue Kompositionen leben indes nicht unbedingt von banaler Stilvielfalt, und es handelt sich eigentlich auch nicht um suitenartige Gebilde, in denen unterschiedliche Sound-Signaturen aneinandergereiht würden. Gerade live überzeugt das Prozesshafte dieser Musik, in der Geräusche und Klänge verschmelzen, in der überdies komponierte und improvisierte Momente zumeist organisch ineinander aufgehen; plakative Kontraste sind eher selten.
Big Zoom bewährte sich in der Interpretation von «Polisation» als kompakter Klangkörper; mit Engagement sorgten die Musiker für die animierte Dichte der mitunter an Action-Painting erinnernden Tongemälde, und mit Übersicht zeichneten sie die grossen dynamischen Bögen der kompositorischen Vorgaben nach.
Und doch liegt es wohl im Sinne dieser Stücke, dass sich aus dem changierenden Gewusel des kompositorischen Kosmos immer wieder auch Einzelstimmen lösen, um sich solistisch oder in angeregten Dialogen expressiv zu behaupten. So wurden Spitzenwerte der Intensität erreicht: Schaufelberger verdankte man Momente der Ruhe und Einkehr. Nils Wogram glänzte mit Agilität, Power und Schliff. Faszinierend, wie ihn Niggli begleitete - alert, virtuos und bis in nervliche Mikrostrukturen empathisch. Für den Höhepunkt indes sorgte er gemeinsam mit Guy: Inspiriert von Free Jazz und Noise, entfachten die beiden ein atemberaubendes, elektrisierendes Geistes-Blitzen.
Ueli Bernays, NZZ, Schweiz, 1.2.2011

 

Abwechslungsreiche Klangwelten durchschritten – Lucas Niggli und Band imponierten mit aufregender Musik
Der Schlagzeuger Lucas Niggli ist ein gern gesehener Gast am Dornbirner Spielboden. Beim ersten Konzert der aktuellen "Jazz&" Reihe musizierte er mit seinem Ensemble "Big Zoom" sowie zwei neuen Bandmitgliedern. Die vielseitige Flötistin Anna La Berge und der außergewöhnliche Bassist Barry Guy bewirkten eine enorme klangliche und stilistische Erweiterung. Präsentiert wurden die beiden groß angelegte Kompositionen "Polisation" und "Nirwana", mit denen Lucas Niggli als Komponist eine spannende Reise in raffiniert konzipierte Musik antrat und die Zuhörenden mitten hinein führte in spannende Klangentwicklungen und anspruchsvolle Improvisationen.

Eine Hommage an Edgar Várese nannte Lucas Niggli sein neuestes Projekt und gab damit einen wichtigen Hinweis auf seinen musikalisch-kompositorischen Zugang. Ausgehend von sämtlichen Geräusch- und Klangqualitäten, die uns in unserer Umwelt umgeben, entwickelte er eine fein ziselierte Musik, die von einer Suche nach irisierend ausformulierten Klangfeldern bestimmt ist. Diese dienten als Ausgangsbasis für Improvisationen, die die hervorragenden Bandmitglieder ganz individuell ausfüllten.

Die Flötistin und der Posaunist
Anna La Berge und Barry Guy fügten sich kreativ in die musikalischen Welten von "Big Zoom" ein. So standen dem Schlagwerker Lucas Niggli für seine kompositorischen Arbeiten zwei Klangfarbengruppen zur Verfügung, auf der einen Seite die Bläser, ausdrucksstark ergänzt durch E-Gitarre und Bass. Starke Fundamente mit vielschichtigen rhythmischen Mustern bot Lucas Niggli selbst von seinem Schlagwerk aus.
Aufregend spielte die Flötistin ihre Parts. Sie ging von atmenden Luft- und Klappengeräuschen aus, überlagerte die Töne in unzähligen Farbschattierungen mit der eigenen Stimme und fabrizierte kreativ ausgeformte improvisatorische Klangfelder. Zusätzlich bereicherte sie die Musik mit elektronischen Sounds. Ihr zur Seite agierte ebenso ideenreich und vielschichtig der Posaunist Nils Wogram. Er entfaltete auch aus der Sprache generierte, spannende Klangqualitäten und musikalisch-improvisatorische Entwicklungsstränge.

Gitarrist und Kontrabassist
Stets präsent, als wichtiges Bindeglied zwischen exakt notierten Passagen und improvisierten Teilen, war der Gitarrist Philipp Schaufelberger. Er spielte spannende harmonische Durchgänge und verkörperte den eher ‚lyrischen' Part der Gruppe. Auch optisch trat der temperamentvolle Bassist Barry Guy oft in den musikalischen Vordergrund. Sein unkonventionelles Spiel und seine spektakulären Spieltechniken, die nuanciert fabrizierten Flageoletts und andere Spielarten belebten die Musik. Allerdings wirkte vor allem die elektronisch verstärkte Passage im zweiten Satz der "Polisation" unnötig aufgemotzt.

Schlagzeuger und Komponist
Die Fäden liefen bei Lucas Niggli zusammen, der vom Schlagwerk aus die Musikerkollegen anleitete und die Musik vielschichtig unterstrich. Bemerkenswert entwickelte er polyrhythmischen Passagen und stellte straffe rhythmische Felder in den Raum. Weniger Rasseln und andere Utensilien, mit denen abschnittweise klangliche Unterlagen geschaffen wurden, hätten dem Gesamteindruck gut getan, allzu sehr in Klangwolken eingetaucht wirkten einige solistische Passagen der hervorragenden Solisten.
"Big Zoom" bot einen anspruchsvollen Musikabend, der vielerlei Hörebenen öffnete und anregend wirkte. Die fein ziselierten klanglichen Entwicklungslinien und die unterschiedlichen musikalischen Stationen, die die Musiker zusammen oder solistisch improvisatorisch einnahmen, waren spannend und gut mitzuerleben. (Bild zum Text)
Silvia Thurner, www.kulturzeitschrift.at, Österreich, 31.01.2011

 

BAK, Concerto, Österreich, Januar 2011

 

Con Polisation el baterista y percusionista Lucas Niggli presenta la nueva alineación de su veterano proyecto Zoom, en este caso en el formato Big Zoom. En él continúan tanto el trombonista Nils Wogram como el guitarrista Philipp Schaufelberger, presentes desde su mismo comienzo en 1999. Las dos últimas incorporaciones, que tuvieron lugar en 2009, son el contrabajista Barry Guy y la flautista (proveniente de los terrenos de la clásica) Anne La Berge.
Las composiciones y el proyecto se pudieron escuchar en España en la edición de 2009 del festival Imaxinasos de Vigo. Allí Lucas Niggli comenzaba con el rodaje de esos temas y ese grupo en directo, en el que casi fue su mismo estreno. El concierto vigués fue el segundo de "polisation". El inicio de un camino previo a su registro y publicación, que tal y como ocurre en la mayoría de sus proyectos y en la totalidad de Zoom, ha tenido lugar en Intakt, el sello suizo de autor(es) dirigido por Patrick Landolt.
Al igual que ocurre en las anteriores entregas de la saga Zoom Lucas Niggli se encarga de todas las composiciones. Sus creaciones le sirven para establecer unos marcos muy determinados y concretos dentro de los cuales los músicos encuentran una gran libertad. Como novedad en esta entrega cada una de las tres partes de "Polisation" toman una forma de suite en la que se alternan las exposiciones, los espacios para los solos, dúos y tríos, y también para la expresión libre. El cuarto tema interpretado, "Nirvana", es una pieza que ya había aparecido en Big Ball (2002) y que aquí toma nueva vida.
En esta obra resultan muy interesantes los conceptos que están escondidos tras su título, y que de algún modo se podrían aplicar a la música del suizo. Polisation toma su origen de "Ionisation", composición de Edgar Varése para orquesta de percusión, y del elemento compositivo de origen griego π?λιυ (poli), que indica pluralidad o abundancia. Ambos elementos sirven para caracterizar a su música. Por una parte no sólo está la afirmación de la batería y la percusión, sino también el carácter vanguardista de la obra de Varése. Por otro incide en la abundancia de estilos presentes. Una fusión de influencias abierta a todo, no cerrada a casi nada.
Todo esto, no obstante, no tendría mucho sentido sin ese soporte necesario que es la formación Big Zoom. El tiempo, que tampoco demasiado, pero sobre todo las actuaciones le han dado ese empaste que da el tiempo de una forma mucho mejor que las buenas intenciones. La grabación a lo largo de varios días, producción marca de la casa, sin duda permite que el resultado final sea óptimo. No sólo en lo relativo a la calidad de sonido, sino sobre todo a la calidad de la música que finalmente se ha publicado.
Nils Wogram está en esta grabación en un estado de forma especialmente afortunado. Es uno de los mejores trombonistas en la actualidad con un fraseo limpio, rápido y preciso. Su música aquí es contagiosa con momentos rebosantes de swing y energía. Barry Guy es una gran incorporación. El británico es un virtuoso del contrabajo que casi siempre está en un segundo plano, oculto pero imprescindible, pero que brilla, ¡y de qué modo!, cuando es su turno para lucirse en solitario. La flautista Anne la Berge es la gran sorpresa del grupo. Desde su concierto en Vigo hasta la grabación se muestra mucho más suelta e integrada. El guitarrista Philipp Schaufelberger sigue siendo un enigma. Es un guitarrista con una carrera muy interesante tras de sí, pieza imprescindible en esta formación desde siempre, y que sin embargo sigue siendo un músico no demasiado conocido. Finalmente Lucas Niggli es uno de esos líderes que deja hacer a todos sus compañeros. En la mayoría de sus grabaciones, en ésta también no así en el cuarteto de percusionistas Big Beat Bohemia, no se corre el riesgo de solos interminables de batería, de exhibicionismo vacío. Los distintos elementos de su set, como por ejemplo el impresionante pináculo de pequeños platos de distintos tamaños que suele utilizar, aportan un gran color a sus intervenciones y a la música.
Pachi Tapiz, bun.tomajazz.com, Spain, JUEVES 17 DE FEBRERO DE 2011

 

 

Thierry Quénum, Jazzman-Jazzmagazine, France, Mars 2011

 

Manfred Papst, NZZ am Sonntag, 6. März 2010

 

Interview mit Lucas Niggli, von Christian Rentsch, Jazz 'n' More, Schweiz, März/April 2011

 

Artikel über Nils Wogram, von Tobias Lehmkuhl, Cicero, Deutschland, März 2011

 

De Zwitserse slagwerker Lucas Niggli (1968) grossiert in programmatische titels zoals Crash Cruise, Celebrate Diversity, Rough Ride. Polisation, de titel van dit album, is een kunstwoord, dat een nieuwe invalshoek betreffende diversiteit, heterogeniteit, verschil en verbinding aan wil duiden: veelvormigheid door middel van gericht aanstoten, door beschieten van een positieve lading voorzien en zo verbinding maken. Uiteraard haakt de titel ook aan bij Varèses grande opus Ionisation (1930). Polisation is het eerste album van zijn met fluitiste Anne La Berge (1955) uit Amsterdam en bassist Barry Guy (1947) uit Zürich herbezette groep Big Zoom. Het album bevat vier langere stukken (tussen 10 en 20 minuten) van Niggli: Polisation I-III en Nirvana. Deze stukken zijn vrij los gestructureerd en vallen ieder weer uiteen in delen van anderhalf tot twee minuten. Alleen het afsluitende Polisation II heeft een dubbel zo lange adem. Deze delen verspringen, schuiven door elkaar heen, haken aan elkaar, tasten zoekend af, komen boven drijven of binnentrillen, barsten los, gaan liggen, lopen leeg, sterven weg, stuiteren, strompelen, breken abrupt af. Dit gebeurt langs de grondkarakteristieken van elk stuk in vrij spel tussen de musici. Het karakter van de stukken kan misschien een beetje aangeduid worden met de volgende verzonnen titels: Sprongen in het donker - Naar Binnen, Naar Buiten - Dikke Mist - Kuilen en Schuilen. Niggli zelf heeft het over gekliefde en gegroefde klanklandschappen, wat ongetwijfeld iets over de overgangen en verbindingen in het algemeen zegt en over het resulterende klankbeeld. De instrumentele klanken liggen steeds in het directe verlengde van convulsieve, strompelende enz. bewegingen van het slagwerk. De muziek is feitelijk in alle instrumentale extensies percussief. Dat verklaart misschien ook waarom Niggli's muziek weinig suggestief is en in plaats daarvan strak tot in kleine vertakkingen uitgewerkt is. Zo scheert zijn muziek langs de randen met her en der herkenbare eilandjes van Zuid-Afrikaanse kwela- of balkan-reminiscenties.
Anne La Berge, lid van de Amsterdamse collectieven dOeK en Kraakgeluiden, lid ook van Cor Fuhlers Corkestra, kan hier over een grote breedte qua klankvariatie en qua inzet met haar fluitspel, al of niet elektronisch gemanipuleerd, schitteren. In Nirvana vervult de fluit net als in Polisation II een belangrijke rol. In Nirvana gebeurt dat binnen een vervlechting van ruwe klankarceringen, in Polisation II zijn dat vriendelijk tegenstrevende stemmen die elkaar langzaamaan opstuwen en in een groove belanden die vervolgens weer uiteenvalt. In dit stuk wordt tijdens een interplay tussen elektrische gitaar, trombone en fluit mooi duidelijk waar het specifieke en het sterke van de fluitklank ligt. Ook hier levert de companionship met de trombone (van Nils Wogram) bijzonder sterke momenten op. Opmerkelijk is hoe La Berge de fluitklank – tussen voor- en achtergrond – voortdurend op de omgeving weet af te stemmen en aan de omgeving weet aan te passen. Zo ontstaan er – meer of minder duidelijk op te merken – flikkerende overgangszones en oplichtende randen. Het fluitspel biedt steeds zacht maar helder en scherp tegenwicht binnen het gekrioel. Zonder fluit zou het zeker vlakker en botter klinken en zou er iets ontbreken. Een mooi voorbeeld van wat met het instrument binnen sterk texturele (soms zelfs spectrale) muziek als deze kan. Het kan ook niet simpelweg door elektronica vervangen worden. De speciale kwaliteit zit hem namelijk juist in de kleurovergangen van elektronica naar akoestische fluit. Dat past uiteraard ideaal in Niggli's sterk percussief gekleurde en kleurende muziek en zo is zijn keuze voor beide nieuwe leden van zijn ensemble zeer begrijpelijk.
Henning Bolte, Dutch Flute Magazine, Spring 2011

 

Con "Polisation" el baterista y percusionista Lucas Niggli presenta la nueva alineación de su veterano proyecto Zoom, en este caso en el formato Big Zoom. En él continúan tanto el trombonista Nils Wogram como el guitarrista Philipp Schaufelberger, presentes desde su mismo comienzo en 1999. Las dos últimas incorporaciones, que tuvieron lugar en 2009, son el contrabajista Barry Guy y la flautista (proveniente de los terrenos de la clásica) Anne La Berge.

Las composiciones y el proyecto se pudieron escuchar en España en la edición de 2009 del festival Imaxinasos de Vigo. Allí Lucas Niggli comenzaba con el rodaje de esos temas y ese grupo en directo, en el que casi fue su mismo estreno. El concierto vigués fue el segundo de "polisation". El inicio de un camino previo a su registro y publicación, que tal y como ocurre en la mayoría de sus proyectos y en la totalidad de Zoom, ha tenido lugar en Intakt, el sello suizo de autor(es) dirigido por Patrick Landolt.

Al igual que ocurre en las anteriores entregas de la saga Zoom Lucas Niggli se encarga de todas las composiciones. Sus creaciones le sirven para establecer unos marcos muy determinados y concretos dentro de los cuales los músicos encuentran una gran libertad. Como novedad en esta entrega cada una de las tres partes de "Polisation" toman una forma de "suite" en la que se alternan las exposiciones, los espacios para los solos, dúos y tríos, y también para la expresión libre. El cuarto tema interpretado, "Nirvana", es una pieza que ya había aparecido en "Big Ball" (2002) y que aquí toma nueva vida.

En esta obra resultan muy interesantes los conceptos que están escondidos tras su título, y que de algún modo se podrían aplicar a la música del suizo. Polisation toma su origen de "Ionisation", composición de Edgar Varése para orquesta de percusión, y del elemento compositivo de origen griego π?λιυ (poli), que indica pluralidad o abundancia. Ambos elementos sirven para caracterizar a su música. Por una parte no sólo está la afirmación de la batería y la percusión, sino también el carácter vanguardista de la obra de Varése. Por otro incide en la abundancia de estilos presentes. Una fusión de influencias abierta a todo, no cerrada a casi nada.

Todo esto, no obstante, no tendría mucho sentido sin ese soporte necesario que es la formación Big Zoom. El tiempo, que tampoco demasiado, pero sobre todo las actuaciones le han dado ese empaste que da el tiempo de una forma mucho mejor que las buenas intenciones. La grabación a lo largo de varios días, producción marca de la casa, sin duda permite que el resultado final sea óptimo. No sólo en lo relativo a la calidad de sonido, sino sobre todo a la calidad de la música que finalmente se ha publicado.

Nils Wogram está en esta grabación en un estado de forma especialmente afortunado. Es uno de los mejores trombonistas en la actualidad con un fraseo limpio, rápido y preciso. Su música aquí es contagiosa con momentos rebosantes de "swing" y energía. Barry Guy es una gran incorporación. El británico es un virtuoso del contrabajo que casi siempre está en un segundo plano, oculto pero imprescindible, pero que brilla, ¡y de qué modo!, cuando es su turno para lucirse en solitario. La flautista Anne la Berge es la gran sorpresa del grupo. Desde su concierto en Vigo hasta la grabación se muestra mucho más suelta e integrada. El guitarrista Philipp Schaufelberger sigue siendo un enigma. Es un guitarrista con una carrera muy interesante tras de sí, pieza imprescindible en esta formación desde siempre, y que sin embargo sigue siendo un músico no demasiado conocido. Finalmente Lucas Niggli es uno de esos líderes que deja hacer a todos sus compañeros. En la mayoría de sus grabaciones, en ésta también no así en el cuarteto de percusionistas "Big Beat Bohemia", no se corre el riesgo de solos interminables de batería, de exhibicionismo vacío. Los distintos elementos de su set, como por ejemplo el impresionante pináculo de pequeños platos de distintos tamaños que suele utilizar, aportan un gran color a sus intervenciones y a la música.
Pachi Tapiz, bun.tomajazz.com, JUEVES 17 DE FEBRERO DE 2011

 

Henning Bolte, Fluit, Nederlande, 2-2011

 

Wolf Kampmann, Jazzthing, April/Mai 2011

 

Klaus Hübner, Jazzpodium, Deutschland, April 2011

 

Some of those evoked electronic sounds make their appearance on Lucas Niggli's Polisation. Bringing forth his Big Zoom project regulars—Wogram on trombone and Schaufelberger on guitar—mixed with bass master Guy and La Berge on flute and electronics. Niggli offers stretches of free form sonic interaction, but as a drummer he loves a groove. So on the opener, "Polisation I," after a swooping, breathy introduction, he introduces a sizzling Latin groove then slips into a waltz before slugging the track home with a backbeat. The soloists Wogram and La Berge dig in and engage the leader's grooves. At the end, though, it's Guy who instigates a rhythmic switch, offering up a loping figure with Schaufelberger adding some steady avant Freddie Green chording on top. This tangle of abstract riffing and shifting rhythm characterizes the session. The session ends with another extended jam. Here the ensemble alternates more pulsating free time with floating ballad mood—Schaufelberger and Guy especially shine here. Early on they offer up a skittering two-part invention and later the guitarist swings out. Though all in freetime, Niggli defines them as sharply as more conventional patterns. And as a composer he contributes a lurching recurring horn line that ends the session on an exclamation mark.
David Dupont, Cadence Magazine, USA, apr - may - jun 2011

 

 

Artikel über Lukas Niggli, Ulrike Proske, Jazzthetik, Deutschland, Mai/Juni 2011

 

Bjarne Søltoft, Jazznytt, Norway, Nr. 2 / 2011

 

Artikel über Lucas Niggli, Rolf Thomas, Jazzthing, Deutschland, Juni/Juli/August 2011

 

Hier lässt sich Guy als Teamplayer in einem der besten europäischen Jazz-Ensembles erleben, nämlich bei der von Meistertrommler und Komponist Nigglis zum Quintet aufgestockten Wundercombo ‚Big Zoom'. Aber Moment mal - Jazz? Ist Nigglis Basis-Trio ‚Zoom' - für mich nach wie vor der überzeugendste, weil transparenteste und geometrisch-explosiv-ausgefeilteste Modus seiner Gruppenexpeditionen - überaus als veritables und hochinnovatives Update von zeitgenössisch-avanciertem Jazz zu hören, begibt sich dieser Fünfer auf noch unsicherere und wild-konfrontativere Exkursionen. Nach Hören dieser vier Stücke -das längste schließlich mit 21 Minuten - lässt sich nur zu dem Schluss kommen, dass die Erweiterung von ‚Zoom' hier so risikoreich, schlüssig und letztlich gewinnbringend aufgegangen ist wie nie zuvor. Mit souveräner Sicherheit lavieren sich die Charakterköpfe individuell durch das Kollektivspiel und legen den HörerInnen stets Zeugnis ab, Zeugen eines außergewöhnlichen Musikentstehungsprozesses zu sein bei diesem wurden die durch Teilung, Spaltung und Pulverisierung entstehenden neuen Kanten, Elemente und schwebenden Gravitationsmomente nicht elegant gebrochen, sauber eloxiert oder gar geschliffen, sondern als Warnschilder oder Wegweiser auf einem unbekannten Planeten stehen gelassen. Soviel Expeditionsmetapher muss einfach sein: Der Weg durch die Wildnis ist bei aller Schritt-für-Schritt-Routenkartografie nur einmal zu machen, danach ist er weg. Der Weg ist weg? Wie weit wissen wir wirklich, wenn Wildnis Wunder wirkt: Wenn Wogram am Ende der Dekonstruktion von Polisation III zum Höhenswing aufruft, fangen wir einfach an zu fliegen, lassen das Neuland hinter uns und werden noch ein Stück freier. Und wenn nicht heut, dann doch morgen.
by HONKER, MADE MY DAY, TERZ-Magazin 06.11, Deutschland, Juni 2011

 

Christoph Wagner, Schwarzwälder Bote, Deutschland, 8. Mai 2011

 

 

Probably the most interesting younger trombonist in Europe, who is affiliated neither with out-and-out Free Music or the Mainstream, is German-born Nils Wogram. Like most contemporary players he leads his own ensembles while lending his inventiveness to a variety of other groups. Paradoxically though, while his own CDs lean towards the populist, the challenge of sidemen duties often brings out a more adventurous side, as these CDs demonstrate.
Wogram has a long history of collaboration with Russian-American pianist and Köln-resident Simon Nabatov, in duo and in other bands. Aptly titled, Roundup is particularly notable since the two's playing partners are gathered from disparate places. They include Berlin-based tenor saxophonist Matthias Schubert, who often works with tubaist Carl-Ludwig Hübsch; Amsterdam-based cellist Ernst Reijseger, a former member of the ICP Orchestra; and New York drummer Tom Rainey, who works with seemingly every second Jazzer on both sides of the Atlantic.
More atonally sophisticated still is the newest generation of Uster, Switzerland-based percussionist Lucas Niggli's Big Zoom band. Joining the holdovers, who include Wogram and Swiss guitarist Philipp Schaufelberger, who often plays with reedist Tommy Meier, are two veterans, American New Music flautist Anne La Berge and British bassist Barry Guy, who has been involved with advanced sound ensembles since the late 1960s. The invented word in the title refers to the overlapping polyrhythms, polymetrics and polytones used by the band, most definitely related to the multiphonic rhythms the percussionist brings to each piece.
Cameroon-born Niggli has a particular affinity for African percussion, and the four tracks are alive with rhythms and timbres that could come from the berimbau, batà or djembe drums. But this is no World Music session; the drummer leaves that concept for his other more percussion-dedicated projects. Instead his polyrhythmic expression is deployed as part of more substantial creations – and blends. While rotating among his regular kit and extra percussion, the drummer works with different musicians in turn. Shuffles and drags make room for Schaufelberger's chiming, almost country & western approach, for instance, while Africanized percussion patterns back Wogram's high-pitched triplets that are also matched with decorative flute flutters. Every participant has a similar role. Guy's ringing bass lines for example, presage a moderate, andante trombone solo, which is also backed by the guitarist's spidery fills.
Each of the musicians bring his or her particular skills to Niggli's compositions which often seem to meld Sun Ra's mysticism, Sun records' beats and Sonny Rollins' virtuosity in equal measures. The highlights include Le Berge's shrilling multiphonics or breathy flutters; Guy's solid, unshowy pacing; and Schaufelberger's staccato strumming or Rock-styled distortion. Besides the drummer however, it's the trombonist who makes the strongest impression. From shrill capillary blats to back-of-throat growls his trombone mastery is highlighted.
It's a somewhat similar situation on Roundup, with Nabatov serving as Wogram's second. In contrast to Big Zoom's out-and-out timbre dabbling and deconstruction, the seven Nabatov compositions contain the sort of voicing that could come from a, 21st Century version of pianist George Shearing's classic quintet. A fine example of this appears on the balladic "Stuck For Good". Here a gentle waterfall of notes from the pianist is harmonized alongside low-pitched trombone breaths and sul tasto swells from the cellist. Redefined as a lyrical swinger, the tune concludes with carefully measured piano key clips, tongue flutters from Wogram, and martial ratamacues from Rainey.
While the tunes on Roundup are more tonal than the dissonant romps on Polisation, there are sections when Nabatov allows everyone to play more freely. For instance, space is made for Schubert's reed puffs and thick-grained slurps, Reijseger's kinetic syncopation and Nabatov's geometrical keyboard thumps. The performance is also conventional enough to allow for solo showcases. "Low Budget", for instance is a percussion intermezzo, while "Desfile" is given over to Wogram's slide explorations.
On the former, Rainey uses subtly and taste to paint a percussion picture with colored with cymbal splashes plus bounces, ruffs, strokes and pats on bass drum, snares and toms. A later variation has him keeping time with rim shots as Nabatov doubles the tempo with fractured glissandi. Analogous keyboard dynamics which take on player-piano-like echoes are used effectively on "Desfile". So are staccato cello runs and hand drumming plus cymbal clanks from Rainey. But it's Wogram's textural pinpointing which gets the best work-out here. Alternating between gutbucket blasts and crying trills he defines the theme in such a way that it almost resembles a cabaletta. Subsequent brass guffaws lead to a dancing near-African line, with the cellist's string plucking taking on lead-guitar reverb, while Rainey's and Nabatov's responses match Reijseger's in velocity and intensity. Overall though the piece resembles an exercise in exotica rather than one with the African echoes Niggli prefers.
That pronounced difference is key, since these examples of high-class Euroimprov show off Wogram's burgeoning skills, but within different, yet simpatico contexts.
Ken Waxman, Jazzword, Canada, June 2011

 

 




Potrait über Lucas Niggli, von Tom Gsteiger, Dissonance Nr. 114, Juni 2011, Schweiz

 

Consisting of intricate linear phrasings and regimented unison choruses, Niggli's formidable drumming exudes a blossoming outlook. With Nils Wogram's blustery trombone parts and popping notes, this rendition of Big Zoom is augmented by Anne L a Berge's multifaceted flute work.
The quintet attains a multidimensional state via structured arrangements, and augments the episodic developments with a keen manner of assembling compositional parts with either blistering solo spots or gradually ascending thematic opuses. Hence, the musicians often reconfigure a given melody line witnessed by Philipp Schaufelberger's hardcore and reconstructive electric guitar phrasings. But the musicians' finely crafted approach offers a captivating balance, including intermittent classical music stylizations and journeys into the free zone.
Niggli's unit intimates a holistic view of disparate styles and musings, wrapped into a comprehensive program. Falling in line with the band's impressive discography, Niggli conveys a hearty presence and is a consummate polyrhythmic drummer, while also dishing out punishing backbeats and colorific cymbals shadings.
Big Zoom continually generates a consortium of interesting proposals. Unlike many other new wave jazz-tinged ensembles, the artists spawn an uncanny mode of combining a highly entertaining set of frameworks with great depth and striking fluidity.
Rating: Four Stars
Glenn Astarita, www.jazzreview.com, 21 JULY 2011, USA

 

On Polisation Lucas Niggli propels his Big Zoom quintet through a powerful set of lightly scaffolded improvisations. Joined by longtime collaborators Nils Wogram (trombone) and Philipp Schaufelberger (guitar), enhanced by the more recent addition of veteran avant improvisers Anne La Berge (flute/ electronics) and Barry Guy (bass), the group's sound falls somewhere between a Grateful Dead-esque space jam and the pointillist timbral experimentation of Edgard Varèse. A sonic seismologist, Niggli shifts musical textures like tectonic plates, creating murmurs, tremors, even full-magnitude 'ear(th) quakes', particularly on the epic closing track, where mercurial musical moodswings create an unsettling outerworldly effect reminiscent of a Twilight Zone score.
Tom Greenland, THE NEW YORK CITY JAZZ RECORD, March 2012, USA

 

 

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