INTAKT RECORDS – CD-REVIEWS
PIERRE FAVRE - YANG JING
Two In One. Intakt CD 114

 

 


Natürlich ist Pierre Favre bekannt als Meister der Konversation solo oder in kleinen Formationen, am liebstem im Duo, wie seine Einspielungen mit Irène Schweizer zeigen. Erlebt man ihn live, beeindruckt den Zuhörer das turm- und mauerartige Arsenal der Schlaginstrumente immer wieder von Neuem. Wie sehr diese sich aber für eine höchst sensible und feinfühlige Kommunikation mit einem ebenso differenzierten Saiteninstrument wie der chinesischen Pipa eignen, überrascht dann doch. Über zehn ganz unterschiedlich strukturierte Titel aus dem gemeinsamen Erfindungslabor Favres und seiner außergewöhnlichen und renommierten Partnerin Yang Jing entwickelt sich eine Kommunikation, bei der jeder dem anderen den Platz lässt, den er (oder sie) zur Entwicklung seiner Ideen benötigt. Aber dennoch ist es von Anfang an mehr, wie schon der Titel der CD und das Einführungsstück besagen: die Verbindung von zwei aus ganz unterschiedlichen Quellen gespeisten Musikgenies. Erwartet man nun die explizite Auseinandersetzung europäischer mit asiatischer Musik und Kultur, ist man sicher enttäuscht und kann lange darauf vergeblich warten. Beide finden von Anfang an eine gemeinsame Sprache, eben "Two In One".
Hans-Jürgen von Osterhausen, Jazzpodium, Stuttgart, Juli/August 2006

 

 

 

Einer, der nicht müde vvird, neben seinen diversen Solo-Perfomances sein perkussives Klanguniversum immer vvieder in neue Zusammenhänge zu bringen, ist unser genialer Klangmaler- und Poet Pierre Favre. Seit er die chinesische Pipa-Spielerin Yang Jing 1999 kennen lernte, eine Meisterin dieses vierseitigen Lauteninstruments, geben die beiden erfolgreiche improvisierte Duokonzerte und der offene Hörer ist immer vvieder total überrascht, vvie variantenreich, expressiv und voller Klangvielfalt sie dieses archaische Instrument einzusetzen vveiss, aber auch, welch intensive, narrative Diologe hier entstehen.
Johannes Anders, Jazz'n'More, Juli/Aug 2006

 

 

Eigentlich ist Fredy Studer der Drummer für gewagte Zweisamkeiten. Aber PIERRE FAVRE zeigt bei Two in One (Intakt CD 114), seinem zweiten Tête-à-tête mit der Pipavirtuosin YANG JING, ein ähnlich feines Fingerspitzengefühl wie schon unter vier Augen mit Irene Schweizer. Jings Landsfrau Min Xiao-Fen hat bereits den Sprung von traditioneller chinesischer und symphonischer Musik zur freien Improvisation mit etwa Derek Bailey oder Carl Stone vorgemacht. Auch Jing war 12 Jahre lang Mitglied im China National Orchestra of Traditional Music und gründete 1996 das Frauenquartett Qing Mei Jing Yue, bevor die Bekanntschaft mit Favre nach einer gemeinsamen Asientour 2001 zur Duoeinspielung Moments führte und zu weiteren Repertoireerweiterungen on the road mit der Arnie Lawrence Jazz Band oder im Duett mit Max Roach beim Jerusalem Music Festival 2001. Die Pipa ist so etwas wie das Banjo und die Harfe des Ostens in einem, deren Strumming und flirrendes Fingerpicking so unwillkürlich, dass man sich gegen die Klischees sträuben muss, Impressionen von pastoraler Chinoiserie herbei zaubert. Dabei ist solche Romantik ein ungedeckter Scheck, auch in weit vormaoistischer Zeit nur mit nostalgischer Schlitzäugigkeit einlösbar. Dennoch gehört es zum traditionell chinesischen guten Ton, genau solche Stimmungsbilder mit Titeln wie «Bright Night», «The Theatre Evening» oder «May in Shanghai» zu malen, freilich nicht ohne das Eingeständnis, «Was a Dream». Favre bindet sein weißes Haar zu einem imaginären Zöpfchen und umtüpfelt und umklirrt die zierlichen Kalligraphien seiner Partnerin mit den intuitiven Raffinessen seiner perkussiven «Als Ob»-Easterness. Keine Ahnung, wie weit Jing von orthodoxen Pfaden abweicht, wie «frei» oder neologistisch sie ihre Klanggirlanden windet. «Sound Forest» klingt für mich durchaus wie spontan und interaktiv aus den Ärmeln geschüttelt. Für chinesische Ohren aber womöglich absolut unerhört. Verwunderung, wie sie «L‘oeil emerveillé» andeutet, entsteht also nicht nur durch den Exotismus als solchen, vielmehr auch durch die Verfremdung des Fremden. Der Wunsch nach purer Schönheit und direktem Ausdruck setzt Regeln außer Kraft. Und man muss, glaube ich, kein Universalist sein, um von der bluesigen Melancholie von ‚Saturday Afternoon‘ berührt zu werden oder bei «Raining Day», einer Hochzeit von Mimesis und Phantasia, Regentropfen und Donnergrollen zu hören.

Rigobert Dittmann, Bad Alchemy, Deutschland, Sommer 2006

 

 

Klangpoesie pur
Pierre Favre ist als Solokünstler bekannt, als Poet unter den Schlagzeugern. Zur Steigerung des Solo-Konzeptes suchte Favre schon in der Vergangenheit den Dialog mit anderen Musikern, wie beispielsweise mit der Jazzpianistin Irène Schweizer oder Michel Godard. Im Jahre 1999 lernte Favre Yang Jing auf einem Festival in Peking kennen. Sie ist die eminenteste Virtuosin auf der Pipa, einem chinesischen Saiteninstrument. Ihre Musik wurzelt in den chromatischen Harmonien der Tang-Dynastie vor über tausend Jahren. Seit zwölf Jahren ist Jing Solistin im chinesischen Nationalorchester, als Instrumentalistin und Komponistin ist sie heute weltweit bekannt. Die beiden Musiker, die sich immer wieder für Konzertreihen treffen, haben nun gemeinsam ihre zweite CD mit dem Titel „Two in One“ eingespielt. Erstaunlich ist die Wirkung, die das Zusammenspiel von Schlagwerk und Pipa hier erzeugt, eine anhaltende Spannung, die unerschöpflich scheint und die die volle Aufmerksamkeit des Hörers fordert. Die Vielfältigkeit der Instrumente zeigt sich in den unterschiedlichen Stimmungen, die sie erzeugen, von meditativer Ruhe bis hin zur exstatischen Explosion, vom prasselnden Regen, der in Raining Day zu hören ist, bis hin zu abstrakten Klanggebilden. Die Künstler scheinen Wert auf klare Definitionen zu legen, auch im Dialog kommt es nie zu einer Vermischung der Klänge. Selbst im Pianissimo sind die Konturen scharf zu erkennen. Die Freiräume, die sich Favre und Jing gegenseitig einräumen, um der beeindruckenden, aber nie unangemessen zur Schau getragenen Virtuosität Platz zu schaffen, scheinen großen Anteil an dem Gelingen dieses Projektes gehabt zu haben.
Die Vertrautheit, die diese Musik trotz ihrer Ungewöhnlichkeit suggeriert, lässt sich durch Anklänge an den authentischen Blues erklären, ebenso durch die Art, in der Jing die Pipa behandelt und ihr so den Gesang einer Flamenco-Gitarre zu entlocken scheint. Zuweilen glaubt man, in den glasklaren Klängen ein Glockenspiel zu erkennen. Favres Spiel zeichnet sich durch großes Einfühlungsvermögen aus. Er nimmt die feinen Nuancen des Pipa-Spiels auf und erkennt das Potential, welches im Dialog der Instrumente liegt. Die Klanggewaltigkeit des Schlagzeugs tritt in den Hintergrund, Favre zeigt, dass der Klang von Becken und Trommeln auch melodische und harmonische Elemente in sich trägt.
Edith Rimmert, Neue Musikzeitung, Deutschland, Juli/August 2006

 

 

Swiss percussionist Pierre Favre has played duet dates with a number of great musicians. From the stellar pianist Irene Schweizer, percussionists Andrea Centazzo and Fredy Studer, flautist Jioí Stivín, he's covered a wide gamut of musical territory. Chinese pipa player Yang Jing is someone Favre has recorded with previously and with this CD he returns to mine some new ground. I have recollections of listening to some fine pipa playing on several Radio France CDs over the years, but then my interests shifted elsewhere. I'm glad someone is turning the spotlight back again. Favre is known for his exquisite use of space. Simply put, he uses the acoustics as much as possible. Whether it's striking the tom lightly or pounding on the hi-hat or just caressing the skin, almost like an explorer of a new land, he wonders at the newness of his drum set with great detail. For those who haven't seen one, pipa is a beautiful looking upright string instrument. Jing is rather careful in treading her way across the strings. It's almost as if she developed a pensive methodology of improvisation. Sure, there's some fine improvised passages - where the duo intermingles in a universal language of their own - but too many times, I get an impression, they're just too careful about the possibilities of their instruments. Listen to them both on "Raining Day", as Jing and Favre with great subtlety appropriate an oncoming rainstorm. Favre likens the thunderstorm with some brush strokes, while Jing plays some swirling and dithering passages. There are a few dramatic passages that are quite descent in "The Theatre Evening" but as I listen to the CD for actual "highlights", I can't decide whether the duo needs to relax in front of each other or whether they have too much respect for each other's craft to simply let their hair loose. Either that, or perhaps these two intentionally strived for an intimate meeting of the minds, rather than something stormy and flat-out wild. Whatever the case, "Two in One" is a good album that sees the duo continuing on the right path of mutual communication.
Tom Sekowski, Gazeta, Poland, 45/2006

 

 

There have been many attempts at fusing traditional Eastern musicians and instruments with Western improvisers all with generally sketchy results. The problems generally arise when it comes to people meeting each other as musicians rather than artists where you get either empty virtuosity or awkward politeness. Either way, most of what I have heard has been pretty much disposable. But this one’s a keeper. Yang Jing plays a traditional Chinese string instrument called a pipa and Pierre Favre plays drums. Now that’s enough to worry me in as much as the pipa isn’t exactly the loudest instrument in the world and the drums… well, enough said. The sensitivity and musicality that Favre brings to this session is quite amazing and that doesn’t mean that he holds back. The first track hammers along like a kodo drumming session and Jing eats it up and answers back with some aggression of her own. The dynamic range these two occupy is also highly varied with the drums and cymbals sounding notes and tones and the pipa clicking and popping along like a small percussion set. While the overall effect seems to be that Favre is more flexible in his accommodations than Jing; Jing’s almost ornery virtuosity makes all nitpicking irrelevant. This is a highly musical meeting where everyone walks away with integrity and artistry intact.
By Nilan Perera, Exclaim, Canada, August 02, 2006

 


Andrew Choate, Signal to Noise USA/Canada, Fall 2006

 


Appréhender le mouvement, le sens de la marche. Comprendre l'espace. Savoir pourquoi le silence. Eviter le coloriage, l'idée même d'accompagnement. Eviter les facilités, être avec l'autre dans la justesse de l'instant. Sûrement pas un défi mais l'envie d'un partage actif. Beaucoup s'y sont cassé les dents ou ont eu recours à l'artifice pour sauver la face. Tout le contraire de Pierre Favre, ce sculpteur de sons, qui dans une adversité toute relative (c'est le deuxième disque du duo), trouve d'emblée le territoire juste, la réverbération amie et aimante (Bright night pour me faire mentir et dans lequel le percussionniste mettra quelques minutes avant de résoudre l'équation). Mais de quoi parlons nous ici ? De la rencontre d'un improvisateur absolu et d'une joueuse de pipa (instrument à cordes chinois), Yang Jing, dialoguant dans un seul et même langage: celui du sensible. Et ce sensible leur va comme un gant, croyez-moi ! Tout est possible disait l'autre. Ici, la preuve!
Luc Bouquet, Improjazz, France, Novembre, Dezembre 2006

 

hörbarJazz
Made in Switzerland I

Gemäss Stanley Crouch, dem einflussreichen neokonservativen Jazzkritiker, ist Jazz per definitionem eine amerikanische Musik: «Wenn ein Amerikaner Beethoven spielt, spielt er europäische Musik. Wenn ein Europäer Jazz spielt, spielt er amerikanische Musik.» Damit redet Crouch einer sehr engen Definition von Jazz das Wort und er rückt diesen in die Nähe einer in sich abgeschlossenen Kunstform. Aber ist der Jazz nicht viel eher ein rebellisches Virus, das sich von New Orleans aus über die Welt ausgebreitet und die unterschiedlichsten Querköpfe angesteckt hat? Ohne die Wirkung des Jazz-virus wäre es jedenfalls kaum zur Begegnung zwischen dem Schweizer Perkussionisten Pierre Favre und der chinesischen Pipa-Virtuosin Yang Jing gekommen (die Pipa ist ein Saiteninstrument); auf der Grundlage gegenseitigen Respekts und grenzenloser Neugier unternimmt dieses Duo spontane Streifzüge durch märchenhafte Klanglandschaften.
Tom Gsteiger, Tagblatt, Zürich. 16. Nov. 2006



L'arte percussiva dello svizzero Pierre Favre, oltre che in assoli magistralmente strutturati, si esprime al meglio nella dimensione del duetto: particolarmente riuscite le sue collaborazioni con Irene Schweizer, Michel Godard e col suo allievo Lucas Niggli.
Fra i suoi sodalizi più avventurosi e “anomali” è da annoverare quello con Yang Jing, iniziato nel 1999 e giunto al secondo CD. La Yang, solista da dodici anni dell'Orchestra Nazionale Cinese, è una compositrice e virtuosa di p'i-p'a, strumento a quattro corde della tradizione cinese (le prime testimonianze risalgono al terzo secolo d.C.), la cui sonorità cristallina e vibrante sembra comprendere quelle della chitarra, del mandolino e del banjo.
Come afferma Peter Rüedi nelle chiare e condivisibili note di copertina, “la world music nel senso negativo del termine (qualsiasi cosa capiti se due culture si incontrano nelle banalità del più basso comune denominatore) non ha nulla a che fare con questo dialogo ad alto livello fra Est ed Ovest”. Ciò che in Two in One accomuna e guida l'azione dei due musicisti è l'approccio all'improvvisazione, avvalorato dai pregressi incontri fra i due: tutti i brani sono infatti a firma congiunta.
L'incontro è guidato prevalentemente dalla Yang: è lei che sembra determinare le atmosfere, pacate o movimentate, il colore del sound, limpido o increspato, e soprattutto il respiro della narrazione, pausata da ricorrenti sospensioni o protesa verso incalzanti crescendo (come avviene nella parte finale di “L'oeil emerveillé”). Favre, quasi con atteggiamento cavalleresco nei confronti della brava partner, sembra adeguarsi con grande intelligenza interpretativa, senza prevaricare, ma solo aggiungendo sfumature e sottolineature con accenti sapienti, mai con ritmi insistenti.
Nel suo complesso questa musica sembra racchiudere una spontaneità costruttiva, una concentrazione meditativa, un distacco olimpico, carico di serenità e di ineluttabilità, ma anche imprevedibili accensioni di un'incisività un po' crudele ed inquietante; vale a dire (concedendoci il ricorso ad uno di quei luoghi comuni che Rüedi cerca accuratamente di evitare) tutte quelle caratteristiche che la nostra ottica occidentale attribuisce genericamente alla sensibilità estetica e filosofica dell'Estremo Oriente.
Libero Farnè, All About Jazz Italia, Novembre, 2006

 

Ein interkultureller Dialog, wie er besser nicht sein könnte: genau, klar konturiert und mit hörbarem gegenseitigem Einfühlungsvermögen. Erneut wirkt die improvisierte Musik als eine potenzielle soziale Metapher für ein gelungenes Miteinander die diesen 10 Stücken nicht aufdringlich, aber latent unterliegt. Favre, der große Schweizer Drumpoet, und Jing, die fantastische Pipa-Virtuosin, die tief aus der chinesische Tontradition schöpft und sie in die Gegenwart transformiert. Ein absolut wundervolles Hörerlebnis.
Made my Day by Honker, Terz, Düsseldorf, 09/2006

 

Yang Jing è una formidabile virtuosa di p’ip’a, un liuto cinese dal suono limpido e pungente. Solista per molti anni nell’orchestra nazionale cinese, oggi è anche compositrice assai interessata all’improvvisazione (che fa parte della tradizione musicale del suo Paese). Favre è il più euclideo dei percussionisti e uno dei più inclini a considerare il proprio strumento anche luogo di elaborazioni armoniche e melodiche. I primi incontri fra i due musicisti risalgono ad almeno sette anni fa e si sono susseguiti piuttosto numerosi. Il loro alto livello di interazione non è solo questione di tecnica strumentale eccelsa o di acquisita consuetudine: questa ha semmai consentito lo sviluppo di un’affinità di fondo per una musica in cui la totale trasparenza dei processi costruttivi sembra quasi un fine. Circa un’ora di musica piena di preziosità timbriche, di effervescenze, addensamenti e rarefazioni, tutta condotta con il respiro mai affannato, e la chiarezza e la definizione che non possono mancare quando è all’opera il musicista svizzero; e purezza e astrazione paiono disincarnare il lavoro della sua partner da cineserie ovvie e superficiali, meno da riferimenti alla sua gigantesca e misteriosa cultura musicale originaria. È un dialogo interculturale in cui le differenze appaiono trascese, o residuali; i due sono letteralmente saliti a un piano superiore che non è quello dell’empatia politicamente corretta ma quello della comune scienza musicale..
Dalla Bona, Musica Jazz, Italia, May 2007

 

Klaus Nüchtern, Falter, Österreich, Nr. 15 / 2007


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