Mein Faible für Radio SWR2
Neue Musik/Jazz verdankt sich Projekten wie dem im Oktober 2003 im
Studio Baden-Baden eingespielten Sweat (Intakt 093). Der Schweizer
Perkussionist & Komponist LUCAS NIGGLI, der über Kieloor Entartet
und Pierre Favre zu eigenen musikalischen Vorstellungen kam und der
bereits mit Zoom und Big Zoom auf Intakt zu hören war, hat für dieses
ambitionierte sechsteilige Werk ein veritables ZOOM ENSEMBLE rekrutiert.
Neben dem harten Zoom-Kern aus Nils Wograms Posaune & Philipp Schaufelbergers
Gitarre und der Big Zoom-Klarinette von Claudio Puntin erklingt hier
das Ensemble Neue Musik Zürich mit Hans Peter Frehner (Flöten), Urs
Bumbacher (Violine), Stefan Tuth (Cello), Viktor Müller (Piano), Lorenz
Haas (Vibraphon, Perkussion) und Leo Bachmann (Tuba) und dazu stö§t
dann noch die Stimme von Phil Minton.
Für diesen Klangkörper,
der sich bespielen lässt wie ein Sampler mit einem breiten Spektrum
an Soundvariationen, schrieb Niggli eine Third Stream-Musik, die sich
der Handicaps früherer Versuche bewusst ist und sie zu umgehen versucht
durch die kreative Souveränität des Zoom-Kerns und die Format sprengende
Eigenwilligkeit Mintons, der bei «Fever» alles was als «gesund» und
«normal» gilt, zerfletchert und dann doch als unvertaulich ausspuckt.
Nigglis überzeugendste Mittel sind jedoch die, insbesondere durch
Schaufelbergers Gitarre, angerockten Fusiontentakeln, die seine Sweat-Suiten
ausfahren, um Gil Evans, dessen Klangbildern die Spannweite zwischen
Tuba & Posaune und Klarinette, Flöte & Strings entstammen könnte,
mit Michael Gibbs, Barry Guy oder Favres European Chamber Ensemble
kurz zu schlie§en. Gegen alles Prätenziöse und Steife mobilisiert
Niggli einen geschmeidigen, immer chromatisch ausgerichteten Klangfluss,
eine liquide, schwimmende Beweglichkeit, auf die Titel wie das fetzige
«Sweet Sweat» und «Fluidum» anspielen, und eine feurig-fiebrig-tänzerische,
wie sie in Titeln wie «Feuer», «Dance for Hermeto» und «Run & Rush»
und insgesamt in Sweat mitschwingt.
Neoromantische sowieso, aber auch post-Webern»sche Erwartungen an
die Strings werden nur für ganz kurze Augenblicke genährt, etwa beim
Auftakt von «Fluidum» bzw. «Run & Rush», das kaleidoskopisch mit Splittern
von Musica Nova-Effekten, Minton»schen Bocksprüngen oder Calypsozitaten
spielt und in einem Grindcoregag gipfelt. Jedesmal sucht und findet
Niggli eine Bewegungsform, eine Motorik, eine Flie§form, die als Swing
oder Groove den Puls beschleunigt. Muss ich extra erwähnen, dass das
18-minütige «No Nation» mit seiner Lacy»esken Stufen-Lakonie, bei
dem Niggli die ganze Farbpalette aufschlägt von der pumpenden Tuba
und röhrenden Posaune zur Gitarre, den Strings und zur Klarinette,
explizit durch Mintons Bekenntnis zur kosmopolitischen Vogelfreiheit
mehr als ein rein musikalisches Statement ist?
Auch wenn Musik wie diese durch das Wahrnehmungsraster der Wohlstandsverwahrlosten
und der Logo-Zombies rutscht, wobei offensichtlich ist, dass auch
der gesellschaftliche Fisch vom Kopf her stinkt, mir rückt sie bessere
Zeiten nahe wie eine Gro§aufnahme, in die man eintauchen möchte.
Rigo Dittmann, Bad Alchemy, BA 45, 2005
Obersten Liga zeitgenössischer
Musik
Der rührige Schweizer Perkussionist/Kompont/Bandleader
Lucas Niggli führt seine Formation Big Zoom (minus Peter Herbert,
dafür aber plus Vokal-Zampano Phil Minton) mit dem Ensemble Neue Musik
Zürich zusammen und entlockt dem nunmehr 11-köpfigen Klangkörper ein
faszinierendes Kaleidoskop an Klängen. Es sind ausgedehnte Kompositionen,
die Niggli aus perkussiven Mustern entwickelt hat, über die er zunächst
sang und die er dann sukzessive zu Suiten verdichtete, welche den
Solisten Claudio Puntin (Klarinetten), Philipp Schaufelberger (Gitarre),
Nils Wogram (Posaune), Niggli selbst und natürlich Phil Minton gro§zügige
Freiräume eröffnen, um sich darauf wieder zu dichten Klangkaskaden
oder vertrackten Ostinati zu verengen. Minton zieht wie gewohnt alle
Register seiner expressiven Stimmkunst (bestes Beispiel: «Fever»),
das Ensemble Neue Musik Zürich agiert ganz und gar nicht steif und
wird nicht einfach «verwendet», sondern auf optimale Weise ins Geschehen
integriert. Eine sehr spannende CD, die auch nach mehrmaligem Hören
noch †berraschungen parat hält. Mit «Sweat» hat sich Lucas Niggli
endgültig in der obersten Liga zeitgenössischer Musik etabliert.
Martin Schuster, Concerto, …sterreich, Oktober 2004
Zuerst gab es das Trio Zoom. Dann kam das Quintett Big Zoom. Nun präsentiert
der enorm kreative Schlagzeuger Lucas Niggli das elf-köpfige Zoom
Ensemble, das aus Nils Wogram (Posaune), Philipp Schaufelberger (Gitarre),
Claudio Puntin (Klarinette), dem britischen Vokal-Guerillero Phil
Minton sowie Mitgliedern des Ensembles Neue Musik Zürich besteht.
Für diese ungewöhnliche Formation hat sich Niggli ein mehrteiliges
Werk ausgedacht. «Sweat» stellt mit seiner blühenden Phantasie und
seinem Formenreichtum die meisten ambitionierten Grenzgänger-Projekte
der letzten Jazz-Jahre in den Schatten. Nigglis Querfeldein-Musik
ist enorm farbig, um nicht zu sagen kunterbunt; mal ist sie bis ins
letzte Detail konstruiert, mal lässt sie Raum für rauschhafte Entgrenzung.
Abwechslungsweise wird mit grossen Bögen und provokanten Brüchen gearbeitet,
die Emotionen wogen auf und ab, wobei das ganze Spektrum zwischen
versponnener Poesie und durchgedrehter Hysterie durchlaufen wird.
Man merkt dem Werk an, dass es von einem Künstler stammt, der Präzisionsarbeiter
und zugleich Sponti ist: Es fordert den Kopf und kitzelt die Eingeweide.
Tom Gsteiger, Basler Zeitung, Sept. 04
Musik, die ständig nach
vorn eilt
†berkandidelte Töne: Der Schlagzeuger Lucas Niggli zeigt auf dem
Album «Sweat», dass in ihm ein klangbewusster - und ungeduldiger -
Komponist steckt.
Er gestikuliert, holt aus,
gibt sich wortreich. Lebhaft und kaum zu bremsen ist Lucas Niggli
- zumal, wenn er die eigene Musik erklärt. Und erzählt, wie seine
64-minütige Einspielung «Sweat» mit dem elfköpfigen Zoom Ensemble
zu Stande kam. Niggli hat sich schon bis anhin in seinen kleineren
Formationen Zoom (drei Musiker) und Big Zoom (fünf Musiker) als ideenreicher
Komponist temporeicher, komplexer Stücke offenbart. Dennoch verwundert
es, dass die klassischen Instrumentalisten des Ensembles für Neue
Musik Zürich ausgerechnet ihn, den Autodidakten, darum baten, eine
längere Komposition für sie zu schreiben «Sweat» wurde unter anderem
am Zürcher Jazznojazz 2003 aufgeführt, jetzt liegt die Suite auch
auf CD vor.
Dass er nicht Komposition
studiert hat, sieht Niggli selber als Vorzug. So laufe er nicht Gefahr,
in Schematismus und Schablonenhaftigkeit zu verfallen: «Ich gehe unverfroren,
frech an die Musik heran», sagt der in Uster wohnhafte Musiker, hebt
aber sogleich den Warnfinger: «Das Handwerk muss stimmen.» Wie zur
Veranschaulichung blättert er in der knapp 130-seitigen Partitur von
«Sweat». Sie ist akribisch ausnotiert; flüchtig wirkt hier gar nichts.
«Ich wollte Musik
auch für improvisierende Solisten schreiben und selber mitspielen»,
erzählt der 36-Jährige. Und damit war das Zoom-Ensemble geboren -
mit den Instrumentalisten von Nigglis Zoom-Gruppen: Claudio Puntin,
Klarinette; Nils Wogram, Posaune; Philipp Schaufelberger, Gitarre;
mit Niggli selbst am Schlagzeug, dem Ensemble für Neue Musik Zürich
sowie dem englischen Stimmkünstler Phil Minton.
Musikalische Wundertüte
«Sweat» ist eine Art musikalische Wundertüte, die laufend neue †berraschungen
ausspuckt. Niggli schöpft die Möglichkeiten seines Ensembles souverän
aus, er versteht es, die Instrumente in ihren jeweiligen Farben und
Registern sensibel zu mischen - in «Fluidum» etwa spielen E-Gitarre
und Posaune eine tief gesetzte, verhaltene Linie, darüber sind sphärische
Sounds des Vibrafons sowie Puntins mit klassischer Tonbildung gespielte,
schillernde Klarinettengirlanden gelegt: Das ist schon sehr gelungen.
Das Fesselnde (und vielleicht zugleich Problematische) dieser Platte
ist aber das hohe Tempo in der dramatischen Gestaltung. Wir hören
eine ambitiöse Kunst- und Hörmusik, die weder tändelt noch verharrt,
noch Töne auskostet; Musik, die ständig nach vorne eilt. «Ich habe
keinen Stil, aber viele Einflüsse», meint Niggli. «Musikalisch bin
ich in den Achtzigern mit der Schnipsel- und Collagetechnik sozialisiert
worden.»
Niggli liefert ein Kompendium des Ungewohnten, Frechen, Waghalsigen
und manchmal auch Poetischen - eine dichte Musik, bald abstrus-schräg
(besonders in Passagen mit Phil Minton), bald zirzensisch-witzig (besonders
in Passagen mit Puntin). Die Stücke, etwa der 18-minütige Eröffnungstitel
«No Nation», sind in der Regel Konglomerate heterogenster Abschnitte.
Man kann den Test machen und in der Platte herumzappen - fast an jeder
Stelle stossen wir auf andere klangliche Texturen: Jazzimprovisationen,
drauflosdreschenden Hardcore-Rock, Zwölfton-Reihen, Klezmerjazz-Klarinettensoli,
Noiselandschaften aus Streicherflageoletts und vieles, vieles mehr.
Es herrscht das Prinzip Allerlei.
Und doch: Die Kleinteiligkeit wird nicht auf die Spitze getrieben,
musikalische Einfälle können sich auch mal entfalten. Und am Ende
glauben wir gar zu hören, dass hinter den vielen Sprachen doch wieder
so etwas lauert, ja, wie . . . Stil.
Christoph Merki
© Tages-Anzeiger, 29.09.2004
Lucas Niggli ist und bleibt
einer der rührigsten, interessantesten und flexibelsten Perkussionisten
im Land. Mit vorliegender Auftragskomposition «Sweat»
erreicht er als Komponist zweierlei: 1. die Kohärenz zwischen
improvisierenden und interpretierenden Musikern, und 2. eine Art Mediation
zwischen Klassik, Jazz und freier Improvisation. Glück für
ihn, dass er Solisten in seinem Ensemble vereint, die wirklich in
allen Sätteln gerecht sind. Trotzdem geht es hier offenbar nicht
darum, Solisten wie bei einem Jazzprojekt in den Vordergrund zu stellen,
denn alles dreht sich um die ganzheitliche Projektion der Komposition.
Noch überwiegt Nigglis Talent als Perkussionskünstler, doch
werden seine Stücke immer dichter und aussagekräftiger,
momentan hängt diesbezüglihc zu viel an den Solisten - das
aber wird sich mit der Zeit ändern.
kw. Jazz'n'More, Sept/ Oktober 04
Fantast und Perfektionist
Schlagzeuger Lucas Niggli jongliert lustvoll mit Klängen und Rhythmen
und schreckt dabei nicht vor Stilbrüchen zurück. Das zweitägige Festival
«proFILE» widmet dem umtriebigen «Spass-Avantgardisten» einen ganzen
Abend.
Stillstand scheint es im
Leben von Lucas Niggli nicht zu geben. Der kleine, wirblige Mann,
der lieber lacht als Trübsal zu blasen, führt eine Existenz im Vorwärtsgang.
Der 36-jährige Schlagzeuger verschwendet seine Energie nicht damit,
sich im Kreis zu drehen, viel lieber zieht er immer weitere Kreise.
Niggli erweitert nicht nur seinen musikalischen Kosmos Schritt für
Schritt: Er ist auch dafür besorgt, dass sich seine Zuhörerschaft
kontinuierlich vergrössert; längere Clubtourneen sind für Niggli die
Pflicht, Auftritte an wichtigen Festivals die Kür. Letztes Jahr präsentierte
er mit «Sweat» sein bisher ambitioniertestes Opus.
Komponiert hat Niggli «Sweat» für das elfköpfige Zoom Ensemble, in
dem der britische Vokal-Guerillero Phil Minton und die Improvisatoren
Claudio Puntin (Klarinette), Nils Wogram (Posaune) und Philipp Schaufelberger
(Gitarre) auf Mitglieder des Ensembles für Neue Musik Zürich stossen.
Für diese aussergewöhnliche Formation hat sich Niggli eine packende
Querfeldein-Musik ausgedacht, die mit ihrem Farben- und Formenreichtum
so gut wie alles in den Schatten stellt, was in letzter Zeit an ähnlich
gelagerten Grenzgänger-Projekten vorgestellt worden ist. Man merkt
dem Werk an, das es von einem Künstler stammt, der nicht nur Präzisionsarbeiter,
sondern auch Sponti ist: es fordert den Kopf und kitzelt die Eingeweide.
Auf überzeugende Weise knüpft Niggli mit seinem Zoom Ensemble an die
gleichermassen eigensinnigen und eklektizistischen Konzepte an, die
er für sein Trio Zoom und sein Quintett Big Zoom ausgetüftelt hat.
Was selten gelingt, gelingt diesen Formationen auf exemplarische Weise:
Die symbiotische Verbindung anspruchsvoller kompositorischer Strukturen
mit improvisatorischem Einfallsreichtum.
Lucas Nigglis turbulente Musik vibriert im Spannungsfeld zwischen
Ordnung und Chaos. Der Toggenburger Schriftsteller Peter Weber assoziiert:
«Niggli liebt komplexes Gehölz, baut Treppenmelodien, Leitern und
Stiegen, um die höher liegenden Beeren zu pflücken, errichtet ein
filigranes Leiterwerk, das in die Baumkronen führt, über die Wipfel.»
Einen wichtigen Stellenwert hat für Niggli auch die Mitarbeit im Avantcore-Trio
Steamboat Switzerland, das durch Dominik Blum (Orgel) und Marino Pliakas
(E-Bass) komplettiert wird. Die von der Art Brut inspirierte Band
erbringt den Beweis, dass Brachialität und Komplexität durchaus unter
einen Hut zu bringen sind. Die Dampfschiff-Kapitäne haben eine Affinität
für alles, was aus dem Rahmen fällt. So werden sie im Rahmen von Nigglis
«proFILE»-Abend in Dornbirn mit dem holländischen Orkest de Volharding
zusammenspannen, um David Dramms «My Visions of Madame Blavatsky»
zur Aufführung zu bringen. Blavatsky verfasste im 19. Jahrhundert
eine mystische Geheimlehre. Die Musik des Amerikaners Dramm wurde
auch schon als «bahnbrechendes Terrain zwischen Charles Ives, Jimi
Hendrix und Lou Reed» beschrieben.
Tom Gsteiger
© St. Galler Tagblatt; 01.10.2004
Lucas Niggli Zoom Ensemble.
Sweat Der junge Schweizer Drummer wird vorbildlich von seinem Label
betreut - so hat er alle Freiheiten, die Musik zu veröffentlichen,
die ihm wichtig ist. «Sweat» ist bereits die dritte CD mit seiner
Working-Band Zoom, diesmal eingespielt in Kooperation mit dem Ensemble
für Neue Musik Zürich. Angelegt als sechsteilige Suite, in der ein
Miteinander von Komposition und Improvisation das Geschehen bestimmt,
zitiert das Ensemble - ganz im Geiste eines Charles Mingus - Big-Band-Muster,
Free Jazz, zeitgenössische Kammermusik sowie gelegentlich traditionellen
Rock. Die Basis stammt stets von Niggli, doch der lässt den Musikern
(u.a. Claudio Puntin, Nils Wogram, Phil Minton) die Freiheit, aus
dem vorgegebenen Rahmen zu steigen, um eigene Ideen einzubringen,
die bis zur Gruppenimprovisation reichen können. Damit erlaubt er
seinen ohnehin schon sehr farbigen Kompositionen, einen eigenen Weg
zu suchen, Statik zu vermeiden, vielmehr immer spontan und neu zu
werden. Ein Meisterwerk der Emotionen.
Olaf Maikopf, Jazzthing
56, Nov/Dez. 2004
Am 30. Oktober 2003 eröffnete
der Ustermer Schlagzeuger, Bandleader und Komponist Lucas Niggli das
fünfte Zürcher «Jazznojazz»-Festival in der Gessnerallee mit einem
sechsteiligen Werk, das er im Auftrag der Kulturstiftung Pro Helvetia
geschrieben hatte. Auf der Bühne standen neben seiner um den Stimmakrobaten
Phil Minton erweiterten Band Zoom auch die Mitglieder des Ensembles
Neue Musik Zürich. Unmittelbar vor dieser Uraufführung war Niggli
im SWR- Studio Baden-Baden gewesen, um sein Opus einzuspielen; diese
Aufnahme (und nicht das Zürcher Konzert) liegt nun als CD vor. Sie
zeigt den quirligen Musiker einmal mehr als innovativen, zwischen
Jazz, Rock und moderner E-Musik mühelos hüpfenden Tonschöpfer, der
das Wechselspiel von ausgeschriebenen und improvisierten Passagen
souverän beherrscht. Die grosse Linie mag man in diesem postmodernen
Puzzle vermissen, und bisweilen kommt die Ambition der Lebhaftigkeit
in die Quere. Doch lebt das Werk, in dem etwa der Posaunist Nils Wogram
und der Klarinettist Claudio Puntin solieren, einerseits von der Fülle
der Einfälle, andererseits von der strukturierenden Kraft des Drummers,
der gleichsam Bleifassungen um die bunten Klangscherben legt.
Manfred Papst © NZZ
am Sonntag; 10.10.2004
Est-ce de l'avoir vu si
énergétique à Mulhouse (avec Steamboat Switzerland
ou Demierre et Guy)? A la premi»re audition, ce disque m'a paru
un peu retenu, voire distant. La prise de son «live à
Willsau » ne présente sans doute pas la musique sous
son meilleur angle et rien, bien sûr, ne vaut l'écoute
directe pour une session non travaillée en studio, mais Lucas
Niggli, étrangement sousmixé, me semblait tricoter en
vain derri»re un groupe qu'il ne parvenait pas à pousser
hors de ses retranchements.
Et puis, la déception relative une fois mise de c»té,
je me suis pris à tendre une oreille plus attentive et, sans
revenir sur les doutes qui m'avaient assailli quant au son, j'ai bien
dû admettre qu'il y avait là un superbe travail d’harmonisation,
une entente réelle entre les membres du quintet et une habile
construction de timbres emboîtés, érigeant une
structure fragile et belle comme une toile d'araignée couverte
de rosée.
Lucas Niggli, batteur ici tout en discrétion, joue extrêmement
vite, aux balais comme aux baguettes, et dédoublant constamment
le tempo, évoque une mécanique motorisée qui
dégagerait juste le courant nécessaire aux autres musiciens:
Nils Wogram, au trombone, souple et soyeux; Claudio Puntin aux clarinettes,
toutes de délicatesse enrobées; Philipp Schaufelberger,
enveloppant le tout d’une guitare sûre et lointaine à
la fois, impressionniste et ciselée; Peter Herbert enfin, assurant
à lui seul les fondations telluriques de l'édifice.
Une sorte de jazz de chambre finalement, tr»s élaboré,
et qui tisse ses fils arachnéens, sensibles au moindre courant
d’air, mais assez solides pour déjouer les pi»ges
et les chausse-trappes de sa propre architecture en danger. A réécouter,
encore et encore...
Joel Pagiere, Improjazz, Mars 2005
Erst drei, dann fünf,
jetzt elf: Lucas Nigglis "Zoom"-Projekte wachsen. Die ursprüngliche
Triobesetzung mit Nils Wogram und Philipp Schaufelberger wurde mit
Claudio Puntin und Peter Herbert zum "Big Zoom". Nun ist
durch die Mitwirkung des Ensemble Neue Musik Zürich gar ein Zoom
Ensemble daraus geworden. Dass mehr Mitwirkende auch eine musikalische
Steigerung bedeuten, ist allerdings schwer möglich, denn bereits
die erste Trio CD "Spawn Of Speed" hat eine Qualität,
die kaum zu steigern ist. Tatsächlich ist das großformatige
Ensemble Projekt nicht besser als die früheren Veröffentlichungen.
Aber ebenso gut. Niggli verschmelzt seine bewährte Jazzbesetzung
mit einem klassischen Ensemble, ohne den herkömmlichen Klassik-trifft-Jazz-Tonfall
zu bemühen. Seine Musik hat gerade in der großen Besetzung
einen eigenen Klang, der sich noch am ehesten irgendwo zwischen Heiner
Goebbels und Carla Bley orten lässt. Melodrame wie "No nations"
mit Stimmberserker Phil Minton mögen an Bleys Opernversuche erinnern,
gemeinsame Improvisationen von Jazzern und Klassikern gemahnen an
Goebbels' Klangcollagen. Doch damit sind nur Eckpunkte von Nigglis
Kompositionen genannt, daneben speisen sie sich noch von einer Unzahl
weiterer Einflüsse von Rock bis Samba. Alles zusammen ergibt
ein mächtiges symphonisches Gebilde mit der Energie rasanter
Improvisationen und dem Charme von Popmusik: Ein aufregendes Hörerlebnis
fürs Hirn. Und eine Wohltat für die Sinne.
Stefan Arndt, Jazzpodium, Deutschland, Mai 2005
Nicht ganz gerade Latingrooves,
hart unterbrochene Gitarrenlinien, energetische Rockbeats, ein kurzes,
schelmisches Lachen - so endet die CD Sweat mit Kompositionen des
schweizer Perkussionisten Lucas Niggli. Knapp 65 Minuten rein akustische
Musik (sieht man von Philipp Schaufelbergers E-Gitarre einmal ab).
Die Musiker, die Niggli in seiner «working group», dem
Zoom Ensemble, vereint hat und die Kollegen des Ensembles Neue Musik
Zürich, grooven sich ganz ordentlich durch die Tracks. Und zeigen
dabei, zu welch produktiver Zusammenarbeit auch Musiker in der Lage
sind, die aus so unterschiedlichen Lagern wie der freien Improvisation
mit Jazz und Rockhintergrund auf der einen und der Interpretation
zeitgenösssicher Musik auf der anderen Seite kommen.
Jazz, dessen Grooves durchsetzt sind mit Klangfarben der Neuen Musik,
die weiterführen zu Phil Mintons geräuschbetonter Vokalakrobatik,
die wiederum plötzlich umschlägt in Deklamation und Gesang.
Lyrische Linien und energetische Ausbrüche stehen immer wieder
dicht an dicht. All diese unterschiedlichen Klänge und Stile
treffen jedoch nie isoliert, nie unhinterfragt aufeinander. Brüche,
Irritationen, Fragezeichen sind es, die diese Musik spannend machen,
eine Musik, die nicht nur gut komponiert, sondern auch von exzellenten
Musikern gespielt wird.
Nina Polaschegg, Neue Zeitschrift für Musik, Deutschland,
3/05
Quelque part entre les
mondes du jazz, du rock alternatif, de la musique contemporaine et
actuelle, le Zoom Ensemble du batteur helvète Lucas Niggli
propose un ambitieux amalgame de styles pour son quatrième
disque produit par l'étiquette suisse Intakt. Du modeste trio
qu'il fut à ses débuts, les deux autres membres en étant
le tromboniste Nils Wogram (magnifique) et le guitariste Philipp Schauffelberger
(efficace), la formation se transmua en quintette (Big Zoom) avec
la venue du clarinettiste Claudio Puntin (soliste éblouissant
de la trempe d'un Louis Sclavis et du bassiste Peter Herbert. Pour
cette nouvelle mouture toutefois, sept autres musiciens se sont ajoutés
ici, l'ensemble prenant maintenant les allures d'un orchestre de chambre.
Avec violon, violoncelle, flûte, tuba, marimba, percussion,
ce groupe se démarque donc nettement de la traditionnelle formule
orchestrale du big band. Les six pièces (fort originales) du
batteur juxtaposent habilement les influences, sans tomber dans le
piège des collages stylistiques gratuits. L'improvisation joue
aussi un rôle important, puisqu'elle sert de contrepoids aux
structures écrites, permettant alors quelques belles échappées
individuelles, notamment celles du brillant clarinettiste. À
cette distribution, n'oublions surtout pas le chanteur Phil Minton,
qui ne manque jamais de surprendre (ou décontenancer) les auditeurs
de ses borborygmes et gloussements vocaux. Musique pleinement créative,
parce que pleine de surprises, celle du Zoom Ensemble fait boum, surtout
dans sa dernière minute marquée par une poussée
inattendue et jubilatoire néo-heavy metal. Un petit bémol,
toutefois: la couverture monochrome avec un titre en petits caractèeres
n'est pas vraiment à la hauteur de la belle créativité
déployée dans cette musique.
Marc Chénard, Las Scene Musicale, Juillet- Août
2005, Canada
Partendo dal caposaldo
elligtoniano secondo cui improvvisazione e composizione si fondono
nella forma della big band, ambito in cui il leader scrive musica
sulla base della conoscenza delle singole individualità, ma
soprattutto dove su queste si determinano tutti quegli inaspettati
sviluppi che solo una pratica dell'improvvisazione può mettere
in luce, l'ensemble Zoom dello svizzero Lucas Niggli si è messo
al lavoro, prima che sui repertori, sulle relazioni dialettiche che
all'interno determinano differenti personalità musicali. Quando
poi entra a far parte di un consesso un personaggio ingombrante come
Phil Minton, difficile non far ruotare tutto attorno a quella forza
della natura. In realtà le polarizzazioni di questo progetto
sono più complesse rispetto alla semplicistica relazione gruppo/cantante
solista. Prima di tutto perché l'ensemble è frutto della
fusione di un quintetto jazzistico (il gruppo di Niggli) con il sestetto
classico Ensemble Neue Musik Zürich. In secondo luogo perché,
viste proprio le diverse estrazioni in campo, sono molteplici gli
incroci degli esiti espressivi.
Costruita come una suite in cui si affacciano echi zappiani, nonché
canterburiani, Sweat si apre con l'anthem antinazionalistico No nation,
costruito appositamente per i ruvidi sforzati vocali di Minton. E'
invece successiva l'irregolare Dance for Hermete in cui ha modo di
farsi notare l'ottimo trombone di Nils Wogram. Mentre il tutto si
chiude in un'improvvisazione guidata da Niggli in cui le diverse polarizzazioni
hanno modo di mettersi in luce in un alternanza di approcci: dall'informale
al vorticoso thrash.
Un lavoro stratificato, sapidamente jazzistico, forse meno classicheggiante
(nel senso contemporaneo) di quello che vorrebbe, scarsamente innovativo,
ma godibilissimo. Da gustare naturalmente con la lentezza che richiedonoi
musicisti di alto livello.
© altremusiche.it / Michele Coralli
Be careful when you count the number of musicians on these sessions.
For while Space may seem to be by a ten-piece band and Sweat by a
12-piece one, each disc actually features an established improv combo
expanded with the members of a contemporary chamber ensemble plus
one additional idiosyncratic soloist. As a consequence of these expansions,
the composer/band leader of each disc—Dutch trombonist Chris
Abelen on Space (BVHaast) and Swiss percussionist Lucas Niggli on
Sweat (Intakt)—has a fuller palate of textures, colors, pitches,
and rhythms available.
Both CDs are memorable, although Sweat has a slight edge. The cause
may be that it’s a studio session, whereas Space was recorded
live. Or it may be that Ensemble Neue Musik Zürich (ENMZ) is
a closer fit with the drummer’s Zoom Ensemble plus British soundsinger
Phil Minton, then the Zapp! String Quartet is with the trombonist’s
quintet and special guest, clarinetist Ab Baars. More crucially, with
only six compositions to interpret—one of which is more than
18 minutes long—the Niggli-led group has enough scope to stretch,
in contrast to the Abelen crew, whose improvisations are wedged into
13 tracks that are mostly three to five minutes in length. Additionally,
the execution of many of the compositions on Space resembles that
of certain comedy sketches on Saturday Night Live: they start off
well, but skimp on a finish.
Consider, for instance, “Clean”, “AB”, and
the title track on Space. Despite the second tune having his initials,
Baars’ a cappella squeals aren’t dominant enough to escape
the delicate ascending harmonies from the Zapp four—violinists
Jasper le Clerq and Friedmar Hitzer, violist Oene van Geel, and cellist
Emile Visser. Percussionist Charles Huffstadt contributes concussive
metallic pulses, but the end result is strangely inconclusive. Similarly,
the string quartet modulates circling pitches, while the rhythm section
of guitarist Corrie van Binsbergen, bassist Wilbert de Joode, and
the drummer proffer a pulsating line, on “Clean”. Yet,
just when this combination seems poised to make a definite statement,
the selection ends.
As for “Space” the composition, harmonic congruence from
the strings, and pinpointed licks from van Binsbergen take up whatever
room is left over from de Joode’s thick-toned interface. Then
Tobias Delius contributes emotional tenor saxophone slurs that are
then answered by plunger work from Abelen. However despite the double-stopping
and steady beat, the climax is again inconclusive.
Other pieces show more development. “Coda”, which oddly
enough is the CD’s second-to-last track, finds Abelen constructing
a Gil Evans-like backing for his chromatic explorations. The Tilburg-born
brassman, who apprenticed in the larger groups of Willem Breuker,
J.C. Tans, and Eric van der Westen, displays his command of shifting
textures. As his trombone sounds grace notes in higher ranges, the
strings gradually ascend in octaves to accompany him. Although at
one point he departs from his usual legato tone to indulge in prolonged
double-tonguing, overall his expositions never go beyond the bounds
of good taste—sort of like a modern-day Eddie Bert or Frank
Rosolino.
Happily, he’s able to get the ZAPP string quartet to swing on
“Orange”, but considering all have backgrounds as improvisers,
this is less of a struggle than it would have been for arrangers Evans
or George Russell in the 1950 and 1960s. That tune, a pseudo-march,
is driven by a military-like fanfare from Huffstadt’s snare
and a thumping pulse from de Joode. Clarinet trills and vibrating
cross lines from the guitar soar on top. Both strings and guitar are
featured on “GO”, where pizzicato settings are interrupted
by low-pitched reverb from van Binsbergen, whose variations on the
theme presage a horn-heavy countermelody.
Built on a series of sonorous pitches, “My Tie” gives
Delius a chance to use smears, squeals, and tongue-stops as tart rejoinders
to the strings’ swelling harmonies. His irregular vibrations
poke holes in the quartet’s lyricism, preventing the tune from
becoming saccharine—and he concludes with a horse whinny. Finally,
“On the Beach” allows Baars and Delius—both on clarinet—to
weave polyphonic tones that meander, jump, circle, and occasionally
meld for double counterpoint, balancing above alternating pizzicato
and arco string tremolos.
As the title suggests, it may have necessitated more perspiration,
but the two ensembles hang together more on Sweat then the two mixed
groups on Abelen’s CD. Even if Minton’s theatrical retches,
hiccups, and groans are an acquired taste, together Zoom and the new
music sextet sound more comfortable than the trombonist’s crew.
That’s because the drummer, in an Ellington-like fashion, tailors
his compositions to the individuals within the group. Slick trombonist
Nils Wogram and guitarist Philipp Schaufelberger—in his less
rock-oriented moments—have shown their adaptability on earlier
Zoom releases, as has new member Claudio Puntin, a clarinetist on
a technical level with Baars. ENMZ’s tubaist Leo Bachmann is
versatile enough to have released his own solo improv disc, with the
other members—violinist Urs Bumbbacher, cellist Stefan Tuth,
pianist Viktor Müller, and flautist Hans Peter Frehner, plus
Lorenz Haas on vibraphone and percussion—similarly adaptable
and seemingly unaffected by the snobbism that often infects so-called
serious musicians.
“Run and Rush” and “Fever” provide examples
of Niggli’s architecturally complete compositions. They’re
also ones that contrast markedly with those of Abelen’s that
lack resolution. On the first piece, for instance, a near-impressionistic
interlude of strings and flute follows measured guitar runs. These
undulating string arpeggios are interrupted by a guitar vamp, which,
joined by piano and vibes, develops into a swing riff balanced on
Bachman’s snorting patterns. As Wogram’s chromatic solo
unrolls on top of skittering drums and walking tuba lines, Minton
interjects dog barks and other odd noises. Midway through is a contrapuntal
interlude, featuring a twittering flute and the clarinet playing Spanish-tinged
scales. Echoing resonations from Haas’ vibes set up the concluding
variation that features a pounding rock-like drum beat, distortions
and surf runs from Schaufelberger, choked blats from the boneman,
and the vocalist perhaps unintentionally parodying a heavy metal singer’s
unintelligible yowls.
“Fever”—not Peggy Lee’s hit—provides
even more scope for Minton’s vocal ventriloquism following an
instrumental exposition made up in equal part of rubato trombone lows,
menacing, low-frequency piano chording, pastoral fluting, and strings.
Displaying three of his many voices, Minton successively intones like
a growling bass-baritone, as if he was a counter-tenor, and with strangled
Donald Duck-like spittle. Soon he’s intoning in triple counterpoint
with himself, as first stretched strings—deliberately dissonant—enter,
followed by splayed guitar licks, rattling thumps from Niggli and
pedal point bluster from Bachmann. Unexpectedly the composition shifts
gears as perfectly formed guitar finger-picking from Schaufelberger,
cross patterning dynamics from Müller, and fowl-like quacks from
Puntin’s clarinet loosen up and distort the sounds. Encompassing
string-directed chamber harmonies, the last section reaches a conclusive
crescendo.
In many ways, the other compositions serve as a series of postludes
to “No Nation”, the anthemic suite that opens the CD.
Beginning with a compendium of pulses, sine waves, and percussion
accents, the initial moderato theme appears after a couple of minutes.
First expressed with a hearty neo-bop, double-tongued solo from Wogram,
the line expands with sonorous timbres from Bachmann and tick-tocking
bounces and ruffs from Niggli. Eventually it opens up for a crooning
vocal from Minton, the Perry Como of the avant-garde.
Tension and release defines the composition from then on as plunger
cries from the trombone, hard rock flams from the drummer, and floating
guitar runs contrast with the simple, sweet Cabaletta-like air that
emanates from the ENMZ. Bachmann’s reverberations provide the
continuo, matched by clanking cymbals and rim shots. As the tune’s
shape alters, Puntin’s feathery double-tongued clarinet line
appears to be injecting fralicher phraseology into the mix. With tuba
tones and clattering percussion swaggering in harmonic counterpoint
finally superseded by throat gurgles, Bronx cheers, and pseudo-scatting
from Minton, the composition concludes with frailing hyper-kinetic
cadences from Schaufelberger and a broad clarinet glissando, recapping
the theme to end on a frantic note.
As examples of musical cross-fertilization from different genres and
largish aggregations, both CDs offer intriguing compositional possibilities,
although Sweat has more of a positive resolution.
Ken Waxman, One Final Note, USA, 28 November 2005
Pawel
Baranowski, Diapazon, Poland, 8. Mai2005
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