INTAKT RECORDS – CD-REVIEWS
JULIAN SARTORIUS
ZATTER
Intakt CD 242 / 2014
Es dauert eine Weile, bis ich gecheckt habe, wo mir JULIAN SARTORIUS schon begegnet ist - bei Rhys Chathams The Bern Project, den Road Works von Gallio / Streuli und im Co Streiff-Russ Johnson Quartet dann auch schon auf Intakt. Schaut man sich um, was der 1981 in Thun geborene Schlagzeuger sonst noch treibt, stößt man auf die Schule der Unruhe, das Stefan Aeby oder das Colin Vallon Trio und natürlich Sophie Hunger. Aber auch dem Berliner Schneeweißchen Johanna Borchert hat er schon ministriert, zusammen mir Shahzad Isamily übrigens, der nun für Zatter (Intakt CD 242) die Aufnahme in der Berner Dampfzentrale produziert hat. Eingefangen wurde ein typisches Solokonzert der bärtigen Einmannband, ohne Overdubs und heimliche Tricks. Sartorius nistet sich im Gehörgang ein, schmiedet am kleinen Amboss rum, krimskramst mit Metall und Holz, hantiert mit Röhren und Glocken, mit Klangschalen und Gummibällen, mit Gongs und Shrutibox, mit Kalimbas und Mbiras, Bullroarer und Vibratoren, mal mit, oft ohne Snare, Tom und Cymbals. Die Klangbilder sind dadurch puristischer als bei den Vorgängeralben Beat Diary und No Compass Will Find Home (als Merz), wo ihm die eigenen Hände und Füße nicht genug waren, aber dennoch enorm abwechslungsreich. Schlicht durch das weite Spektrum der taktilen Herangehensweisen, händisch klöppelnd oder als Phalanx aus Vibratoren, die schnurrend über ein weites Helldunkelfeld zittern. Zatter meint im Berndeutsch ein Durcheinander, einen Verhau. Sartorius haut selten, er tribelt, trappt oder puckt, um einfach mal seine lautmalerischen Titel aktiv zu setzen. Er dröhnt wer weiß wie - 'Untan', wie geht das? Er kommt vom Stöckchen aufs Hölzchen, er schleift, dass es pfeift, er röhrt und klimbimt. Das erinnert an die 'Koffer-Suiten' von Peter Hollinger, ist aber zuerst mal ein Ausfluss der Favre-Pfammatter-Tradition, in der Sartorius geschult ist. Sounds sind dominanter als Muster, wie er sie bei 'Tribel' schnarrt und klopft, bei 'Zatter' paukt und flickert oder bei 'Puckt' immer wieder auf der Stelle treten lässt. Lieber als eine lineare Rhythmik generiert generiert er Klangsphären aus konzentrischen Wellen, bringt aber beim aufrauschenden Gedonge von 'Trapp' auch beides zusammen. Mein Favorit ist 'Tscholi', wo er Bälle umeinander kaskadieren und Töne in Klangschalen kreisen lässt.
Christoph Wagner, WOZ, Zürich, 2. Oktober 2014
Julian Sartorius: tamburi, piatti, campane, gong, bocce sonore, glockenspiel, shruti box, kalimba, tubi, metalli One-man band è il minimo delle considerazioni circa l'insolito lavoro del batterista-percussionista da Thun, recentemente notato quale anima non soltanto ritmica del più recente, enigmatico lavoro del Colin Vallon Trio, e peraltro anche regolare partner della vocalist Sophie Hunger.
Christian Broecking, Berliner Zeitung, 18. Oktober 2014
La Suisse est un grand pays de percussionnistes qui n'hésitent pas à tenter l'aventure soliste. Pierre Favre a montré la voie il y a longtemps, suivi par Peter Giger… À son tour, Julian Sartorius s'est lancé dans l'aventure, s'entourant d'éléments de batterie et de multiples percussions. Ce genre de performance comporte toujours le risque de la démonstration. Mais, comme ses prédécesseurs, Sartorius travaille la musique avant les effets avec une approche parfois "bruitiste" et des sons souvent plus bruts que "jolis". Un CD entier, c'est très long, mais compte tenu de sa démarche et du nombre de percussions employées (sans aucun re-recording), on ne s'ennuie pas une seule seconde.
Guido Festinese, Il Manifesto, Italia, 2. Nov 2014
Klaus Hübner, Westzeit, November 2014
Pirmin Bossart, Jazz'n'more, Schweiz, November-Dezember 2014
Christoph Wagner. Jazzthetik, November 2014
Jörg Konrad, Jazzpodium, Dezember 2014
«Das Schlagzeug ist Teil meines Charakters» Julian Sartorius Der Berner Schlagzeuger Julian Sartorius ist ein Ausnahmetalent. Ab Sonntag lädt der Vielbeschäftigte für sieben Konzerte jeweils 15 Leute in die Künstlerwohnung der Dampfzentrale ein, um sein neues Soloalbum «Zatter» zu taufen. Der Drummer ist er. Letzten Samstag spielte Julian Sartorius solo in Belgien. Noch in der Nacht wurde er mit dem Taxi nach Mannheim gefahren. Dort nahm er die Eisenbahn bis nach Bern, wo morgens um 11 der Soundcheck für zwei Auftritte mit dem Barockensemble Freitagsakademie angesetzt war. Am Mittwoch war der Schlagzeuger Gast der Zürcher Rockerin Evelinn Trouble, dieses Wochenende improvisiert er mit den Jazzern Martin Schütz und Hans Koch in Biel. Die Frage, ob die ständige Reiserei nicht anstrengend sei, nimmt der junge Mann mit dem strubbeligen Haar gelassen. «Ich bin sehr beschäftigt», räumt er ein. Stress bedeutet das für ihn, der schon als Kind einen grossen Bewegungsdrang verspürte, nur selten. Und das musikalische Hin und Her? «Ich denke nicht in Stilrichtungen», sagt Sartorius. «Das Wichtigste ist, dass mir die Musik gefällt, die ich spiele. Ich höre genau hin, dann geschieht enorm viel aus dem Moment heraus.» Wer so flexibel ist, muss sein Handwerk beherrschen. Das ist für den 33-Jährigen, der in Steffisburg in einer musikbegeisterten Familie aufgewachsen ist, selbstverständlich. «Das Schlagzeug ist wohl irgendwie Teil meines Charakters», glaubt er. Schon mit zwei habe er trommeln wollen, ab fünf nahm er Unterricht. Zu seinen Lehrern zählten wichtige Schweizer Drummer wie Fabian Kuratli, Norbert Pfammatter und Pierre Favre. Doch bevor das Ausnahmetalent die Jazzschule in Luzern absolvierte, machte er auf Empfehlung der Eltern eine Berufslehre. «Die Lehre als Tonträgerverkäufer war mit zwei Jahren die kürzeste – und sie hatte mit Musik zu tun», lächelt Sartorius. Abstrakte Popmusik und experimenteller Jazz Rhythmen aus dem Durcheinandertal
Julian Sartorius, avant drummer-percussionist, embarks on his second solo adventure with the album Zatter (Intakt). I have yet to hear his first, Beat Diary, which consists of 365 pieces covering a full year of sound art. He has played with various Euro-improvisational new jazz groups including the trio of Colin Vallon as well as Co Streiff & Russ Johnson's quartet.
Die mirakulöse Klangstubete des Julian SartoriusHeimelig wollte er es haben, einer der besten Schlagzeuger der Schweiz. Also taufte er sein neustes Werk «Zatter» im Wohnzimmer – die richtige Entscheidung.Ist es ein Helikopter? Nein. Ist es ein Bienenstock? Nein. Es ist Julian Sartorius! Er spielt Schlagzeug, malträtiert es, zupft und rupft daran herum. Lauschig ist der Rahmen, in dem der Berner sein neustes Album «Zatter» vorstellt: In der Künstlerwohnung der Dampfzentrale hat er am Sonntagabend einen Teppich ausgerollt, sein Werkzeug aufgebaut, das Licht gedimmt und für 15 Personen Platz gemacht. Sieben solcher Rituale führt er durch, sieben Mal gibt es eine «Zatter Stubete», wie er seine Plattentaufe nennt. Es eine Kombination aus berndeutschen Wörtern: «Zatter» ist ein vergilbter Ausdruck, der die Unordnung von im Raum verstreuten Gegenständen beschreibt. Dann die «Stubete», die für das Beisammensein im wohlig geheizten Zimmer steht. Sartorius mag es gemütlich. Sein Haar ist strubbelig, er trägt Hosen mit tiefen Seitentaschen, damit er die Stöcke darin verstauen kann. Dem 33-Jährigen ist die Aufmerksamkeit sicher, er geniesst und verliert sich im Spiel, ohne dass ihm die Kontrolle darüber entgleitet. Die Stricknadel trifft auf Messing, mit einem Schlauch im Mund manipuliert er die Klangfarbe der kleinen Trommel. Julian Sartorius liebt die Verzerrung. Vor zwei Jahren veröffentlichte er sein «Beat Diary»: ein Tagebuch, geführt über 365 Tage, jeder davon steht im Zeichen eines eigenen Rhythmus, getrommelt auf Zäune, Stangen, Papierkörbe, auf was auch immer. So arbeitete er damals mit mehreren Tonspuren, um das von ihm gewünschte Resultat zu erreichen. Für «Zatter», das aus 14 Stücken besteht, hat er pro Komposition nur eine Spur zugelassen. So ist es für einmal die «natürliche Limitierung» seines Körpers, mit der er sich begnügt. Die Klänge, auch wenn sie mal nach Synthesizer klingen sollten, sind immer organischer Natur. Batteriebetrieben sind an diesem Abend nur die Mini-Vibratoren; sie schwirren auf der grossen Trommel herum und erzeugen wunderliche Schwingungen. Dann hangelt Sartorius nach der Klangschale und deckt die herumlümmelnden Patronen zu. Er hat sie im Internet bestellt und wurde kürzlich von den Vertreibern gebeten, einen Erfahrungsbericht zu schreiben. Zu jedem der Gegenstände, die auf «Zatter» zu hören sind, hat er einen persönlichen Bezug: die indische Shrutibox, die Gummibälle, das Schwirrholz und die uralte Zither mit Blumenmuster, die er nicht stimmen will, weil es «nicht zu schön klingen soll». Das sagt er, der kürzlich für den Schweizer Musikpreis nominiert wurde und den diesjährigen Anerkennungspreis des Kantons erhalten hat. In der Stube ist es so gar nicht laut, die bereitgestellten Ohrstöpsel bleiben im Körbchen liegen. «Einen Ton erzeugen, der bleibt», das sei für ihn als Schlagzeuger das Schwierigste, sagt Julian Sartorius. Gefunden hat er den Ton noch nicht. «Zatter», dieses charmante Durcheinander, ist also nur eine weitere Station auf Sartorius' Mission. Das ist gut zu wissen.
Getrieben von der Lust am Experiment Jazz · Er spielte mit Sophie Hunger, vor allem aber liebt er die freie Musik: Jetzt ist Schlagzeuger Julian Sartorius dreimal in Luzern zu hören. Von Pirmin Bossart Ob im fein abgestimmten Trio des Westschweizer Pianisten Colin Vallon, im rohen Klanglabor von Lila, mit wechselnden Mitstreitern im freien Spiel oder allein an seinem Instrument: Der Schlagzeuger Julian Sartorius fällt auf. Wie er eine Band auf Trab hält, wie er perkussiv kommentiert und erfindet oder als Solist das Schlagzeug zur Klangmaschine macht, das geschieht so unspektakulär wie bestechend. In der nächsten Zeit ist Sartorius gleich dreimal in Luzern zu erleben. Alle drei Auftritte haben mit seiner «Freude am Experiment» zu tun. Das aufwendigste Projekt ist «Joyful Noise in the Dark» im Südpol: ein Konzert in vollständiger Dunkelheit. Die Musiker sind im ganzen Raum verteilt. Die Zuhörenden wandern im Raum herum und setzen sich so den Klängen aus. Nur die Podeste, auf denen die Musiker stehen, sind minimal beleuchtet, damit es zu keinen Zusammenstössen kommt. Sonst aber sind da nur Sounds und Nacht. Mehrdimensionale Ohren Der gleiche Kern Neues Solo-Album
Ayumi Kagitani, Way Out West 97, Japan, April 2017
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