Von Antolini zu Archetti
Stadtpräsident Elmar Ledergerber lþdt am Unerhört-Festival
kommenden Samstag zur CD-Taufe in die Rote Fabrik.
Von Frank von Niederhþusern
Exakt 70 Jahre sind vergangen, seit Louis Armstrong in der Tonhalle
aufspielte und das kulturelle Zürich in zwei Lager spaltete.
Galt Jazz dem etablierten Musikbetrieb damals als subversive Abart,
so erhþlt er nun den magistralen Segen. Begeistert von Ausstellung
und Buch «Jazzstadt Zürich» (2003), hat Stadtpräsident
Elmar Ledergerber angeregt, als Ergänzung eine klingende Dokumentation
nachzureichen, die Geschichte und Gegenwart der lebendigen Zürcher
Jazzszene dokumentieren soll.
Keine leichte Aufgabe für
die beiden Kuratoren Patrik Landolt (WoZ-Redaktor und Leiter von Intakt-Records)
und Nick Liebmann (NZZ-Jazzkritiker und Jazzdrummer), die angesichts
der monströsen Quellenlage nicht anders konnten, als den Mut
zur Auslassung aufzubringen. So dokumentiert «Jazz in Zürich»
zwar die Geschichte seit 1945, legt das Schwergewicht aber hörbar
auf die Vielfalt der aktuellen Szene, die sich zwischen Mainstream
und freier Improvisation, zwischen «Widder Bar», «Moods»
und «WIM» abspielt.
Aushþngeschilder wie
Exoten
Im historischen ersten Teil des Doppelalbums erklingt die Entwicklung
der letzten 60 Jahre anhand unvergesslicher Namen von Eddie Brunner
und Elsie Bianchi über Charly Antolini und das Metronome Quintet
bis zu Remo Rau und der DRS-Big-Band. Die zweite CD steigt Mitte der
1980er-Jahre ein und präsentiert nebst den internationalen Aushþngeschildern
Irène Schweizer, Pierre Favre und Harald Haerter auch «local
heroes» wie Co Streiff und Stephan Wittwer oder «Exoten»
wie Christoph Gallio oder Luigi Archetti.
Besonderes Augenmerk legten
Landolt und Liebmann auf Musikschaffende aus aller Welt, die sich
im «hippen» Zürich niederliessen: von Dollar Brand
und Klaus Koenig bis zu Marianne Racine und Peggy Chew. Hintergrundinformationen
zu allen 32 Aufnahmen gibts im ausführlichen Booklet.
Diverse: Jazz in Zürich (Intakt Records/Präsidialabteilung
der Stadt Zürich). 2 CDs,CD-Taufe am Samstag ab 18 Uhr in der
Roten Fabrik.
Frank von Niederhäusern© Tages-Anzeiger; 24.11.2004; Seite
59 Kultur
Jazz in Zürich
Im Sommer 2003 war im Stadthaus die Ausstellung «Jazzstadt Zürich»
zu sehen; ein Buch gleichen Titels begleitete sie. Der Veranstaltung
fehlte jedoch eines: die Tonspur. Sie wird nun auf einer trefflichen
Doppel-CD nachgeliefert. Intakt Records und Präsidialdepartement
haben sie produziert, Patrik Landolt und Nick Liebmann die Auswahl
der 32 Titel besorgt. Sie setzt mit «Some Sausage» von
Eddie Brunners «Original Teddies» im Jahr 1945 ein und
führt mit Nik Bärtschs «Modul 20» bis in die
Gegenwart. Der Querschnitt präsentiert sowohl Musiker, die aus
Zürich stammen, als auch solche, die hier heimisch geworden sind:
Schliesslich verdankt die Szene ihre Lebendigkeit dem Umstand, dass
sie Impulse von Südafrika (Dollar Brand) bis Schweden (Marianne
Racine) und China (Peggy Chew) verarbeitet.
Manfred Papst
© NZZ am Sonntag; 28.11.2004
SWR
Jazzfacts
Sendedatum: 04.03.05.04
Sendezeit: 22.05 bis 22.50 Uhr
Thema: Jazz in Zürich
Autor Bert Noglik
Hinweis für die Anmoderation:
In den letzten Jahren sind zahlreiche Studien veröffentlicht
worden, die sich aus regionalhistorischer Sicht mit der Entwicklung
des Jazz in einzelnen Städten beschäftigten und sich
zunehmend zu einem Mosaik der europäischen Jazzgeschichte
zusammenschließen. Auf dem Schweizer Intakt-Label erschien
unlängst eine zwei CDs sowie ein ausführlich kommentierendes
Booklet umfassende Anthologie mit dem Titel „Jazz in Zürich“.
Bert Noglik hat sich mit der Dokumentation beschäftigt
und dazu auch Patrik Landolt, einen der beiden Herausgeber,
befragt.
CD Jazz in Zürich
CD 1 Track 1: Eddie Brunner and His Original Teddies:
Some Sausage
Teddie Staufer mit seinen “Original Teddies”, aufgenommen
1945 in Zürich. Bereits in den zwanziger Jahren hatte das
Jazzfieber die Schweiz erreicht. Eine eigenständige Ausformung
der vor allem durch Konzerte und Tourneen afroamerikanischer
Musiker vermittelten Einflüsse, setzte jedoch erst nach
dem Zweiten Weltkrieg ein. Patrik Landolt, Redakteur der Wochenzeitung
und Leiter des Intakt-Labels, der gemeinsam mit seinem Kollegen
Nick Liebman von der Neuen Züricher Zeitung, für das
Konzept der Dokumentation „Jazz in Zürich“
verantwortlich zeichnet, ging es darum, nicht nur stilistische
Einschnitte, sondern auch organische Wachstumsprozesse aufzuzeigen.
O-Ton Patrik Landolt (1) 0’24”
Das war uns eigentlich ganz wichtig. Die Übergänge
## sind ja fließend. Und es gibt ja auch Musiker oder
Musikerinnen, die für mehrere Stile stehen, ## wie die
Größen im Jazz ja auch, die ## vom klassischen oder
sogar vom ganz traditionellen Jazz in die Moderne hineingewachsen
sind und sogar die Moderne dann geprägt haben, und ## zeigt
die CD auch auf eine interessante Weise auch auf.“
CD 1 Track 3: Hans Kennel Quintet: When Will
The Blues Leave
Eine Aufnahme aus dem Jahr 1963. Der Trompeter Hans Kennel mit
seinem Quintett, stilistisch noch am Hardbop orientiert, doch
mit der Hinwendung zu Stücken von Ornette Coleman bereits
danach strebend, dem Jazz neue Freiheiten zu erschließen.
Das frühe Quintett um Hans Kennel, der sich später
einer zeitgenössischen Jazz-Folklore-Fusion zuwandte, bezeichnet
Patrik Landolt als eine Band, typisch für die Musik, die
in den sechziger Jahren im Züricher Café „Africana“
gespielt wurde, ein Ort, der seine Inspiration vor allem südafrikanischen
Immigranten verdankte.
O-Ton Patrik Landolt (2) 0’13”
“In diesem Ort fand dann die Öffnung, nicht zuletzt
auch angeregt von den südafrikanischen Musikern wie ##
Dollar Brand und vielen anderen, fand dieses Öffnung statt.
## Und das geht dann weiter, das wurde dann weiter geführt
mit Iréne Schweizer.“
Die Pianistin Iréne Schweizer, beeindruckt von den Klangbildern
neuer Musik und den Spielexzessen eines Cecil Taylor, hat im
Züricher Café „Africana“ etwas von der
musikalischen und menschlichen Widerstandskraft der Südafrikaner
aufgenommen und auch später immer wieder gern mit südafrikanischen
Musikern zusammengespielt, so hier in einer Aufnahme mit dem
Schlagzeuger Louis Moholo.
CD 2 Track 1: Iréne Schweizer/Louis Moholo:
Seventh Day
Iréne Schweizer zählt zu den prominenten Protagonistinnen
der Schweizer Improvisationsmusik. Sie war die erste Jazzmusikerin,
die mit dem Kunstpreis der Stadt Zürich ausgezeichnet wurde
– ein Preis, den der Perkussionist Pierre Favre Ende vergangenen
Jahres zugesprochen bekam, eine Auszeichnung, die Patrik Landolt
letztlich auch als Anerkennung der vielfältigen Aktivitäten
einer Szene wertet.
O-Ton Patrik Landolt (3) 0’25”
“Es braucht immer einen Humus, und ich glaube, das Bewusstsein
ist heute viel größer geworden, dass zu einer Szene
gehören Veranstalter, es gehören Klubs, es gehören
Musikschulen, es gehören Verleger, es gehört ein ##
Netz von ## agierenden, interagierenden Personen zusammen, und
auf diesem Humus können dann einzelne Figuren wirklich
zur Größe auflaufen.“
Jazzszene Zürich heute – das sind improvisierende
Musiker, Musikerinnen wie Iréne Schweizer und Pierre
Favre, Christoph Gallio und Co Streiff, Klangexperimentatoren
wie Stephan Wittwer, Gruppenarchitekten wie Lucas Niggli und
ethnische Substanzen einbringende Musikerinnen wie die aus China
stammende Peggy Chew oder die turkmenisch-kasachische Sängerin
Saadet Türköz.
O-Ton Patrik Landolt (4) 0’25”
“Die Szene ist heute geprägt durch eine riesige Vielfalt
in Zürich. Es wird an allen Ecken und Ende wirklich geforscht
und gespielt und experimentiert. Es gibt traditionellen Free
Jazz, es gibt experimentelle Formen in den Bereichen Rock, auch
in die Folkmusik hinein. ## Dann gibt’s sehr viel im Bereich
von Elektronik. Die Schweiz hat immer schon eine elektrische,
eine elektronische Szene gehabt, ## das gibt’s auch ##
viele Musiker, Musikerinnen, die in diesem Bereich aktiv sind.“
Das in Zürich beheimatete Trio „Karl ein Karl“
beschäftigt sich seit zwei Jahrzehnten mit Klängen
im Schnittbereich von improvisierter Musik, Electronica, Klang-
und Sprachexperimenten.
CD 2 Track 4: Karl ein Karl: L’art est
le dieu lare des mangeurs de lard
Jazz in Zürich gibt auf zwei CDs mit insgesamt 32 sorgfältig
ausgewählten Beispielen einen Einblick in die Klangwerkstätten
einer Stadt mit einer hohen kreativen Dichte musikalischer Innovationsbestrebungen.
Trotz persönlicher Präferenzen der Herausgeber ist
ein Klang-Kaleidoskop entstanden, das auf der Nähe zu den
musikalischen Prozessen aufbaut und sich von der faszinierenden
Vielfalt der Szene leiten lässt. Und so finden denn auch
Musiker und Strömungen Berücksichtigung, die eine
an einem konventionellen Jazzbegriff orientierte Anthologie
ausgeklammert hätte, beispielsweise der Komponist, Musik-Performer,
Klangforscher und Elektroniker Luigi Archetti.
CD 2 Track 18: Luigi Archetti – Jan Schlegel:
Rhodochrosit
|
Trouvaillen und Lücken
Das Doppelalbum «Jazz in Zürich»
Mit freundlicher Naivität mögen Aussenstehende denken, beim
Doppelalbum «Jazz in Zürich» handle es sich um eine
harmlose, erfreuliche, den Gemeinsinn fördernde Angelegenheit.
Weit gefehlt! Weltweit streiten Traditionalisten, New-Jazzer, Frei-Improvisierende
um das Erbe dieser musikalischen Tradition. Just in dieser Vielfalt
liegt das Faszinosum des heutigen Jazz und der Zürcher Jazzszene.
Traditionalisten spielen im «Gig», die Werkstatt für
improvisierte Musik ist ihnen ästhetisch so suspekt wie den Musiker-Veranstaltern
des Festivals «unerhört!» Jazzkonzerte in der Tonhalle.
Als melting pot fungiert zwar der städtische Jazzklub Moods -
auch hier ist das Programm aber immer wieder umstritten.
Vom Album mit dem Titel «Jazz in Zürich» erwartete
man eigentlich, dass es der künstlerisch ergiebigen Mehrstimmigkeit
gerecht würde - zumal es vom städtischen Präsidialdepartement
in Zusammenarbeit mit dem Label Intakt Records herausgegeben wird
(in einer limitierten Ausgabe). Die beiden CD sind nun recht unterschiedlich
konzipiert. Die erste, von NZZ-Jazzkritiker Nick Liebmann zusammengestellt,
dokumentiert gleichsam das Mittelalter und die Neuzeit der Zürcher
Jazzgeschichte (seit 1945). Hier finden sich Aufnahmen von Altstars
wie Eddie Brunner, Charly Antolini, Buddha's Gamblers, Alex Rohr oder
Bruno Spoerri. Vertreten sind sodann auch internationale Grössen
wie der südafrikanische Pianist Dollar Brand, die die Zürcher
Szene nachhaltig beeinflusst haben. Schliesslich werden echte Trouvaillen
geboten: etwa Aufnahmen der Sängerin Elsie Bianchi-Brunner.
Von der stilistischen Ausrichtung her problematischer erweist sich
die zweite CD; sie ist weitgehend von Patrick Landolt zusammengestellt
worden und widmet sich dem zeitgenössischen Jazz. Wenn man sich
das Menu der 19 Stücke anschaut, kann man sich die verkniffenen
Gesichter all jener Musiker vorstellen, die nicht berücksichtigt
wurden. Offensichtlich hat sich der Intakt- Chef Landolt entschieden,
einen Schwerpunkt auf die Klangkunst zu setzten, die auch den Katalog
seines Labels dominiert. So hat er vorab Musiker ausgewählt,
die sich, an avantgardistischen Idealen festhaltend, von Free Jazz,
freier Improvisation, zeitgenössischer Klassik und spartenübergreifenden
ästhetischen Diskursen inspirieren lassen. Das ist insofern nachvollziehbar,
als sich gerade in dieser Zone Zürcher oft profiliert haben,
die hier vertretenen Irène[100] Schweizer[100], Pierre Favre,
Lucas Niggli beispielsweise.
Insgesamt ist diese zweite CD musikalisch zwar spannend. Aber die
heutige Jazzstadt Zürich repräsentiert sie nicht. Obwohl
auch Musiker zu hören sind, die die Tradition pflegen (z. B.
Nat Su, Chris Wiesendanger, Marianne Racine), weist «Jazz in
Zürich» grosse Lücken auf. Einige bleiben trotz der
Tatsache irritierend, dass die Selektion bei solchen Projekten immer
willkürlich sein muss. - Musiker unter vierzig Jahren findet
man auf dieser Doppel-CD kaum, und unter dreissig Jahren scheinen
Zürcher generell keinen Jazz zu spielen. Dass derzeit verschiedenste
Musiker eine Brücke zur Elektronik zu schlagen versuchen, ist
ebenso ignoriert worden wie die Inspirationsquellen Funk, Rock, Salsa.
Nicht nur der Bassist Herbie Kopf und der Saxophonist Christoph Grab,
die in den letzten Jahren als Instrumentalisten und Bandleader eine
integrierende Rolle spielten im Jazz-Kuchen, wurden übergangen.
Vergebens sucht man auch Aufnahmen des Drummers Jojo Mayer und des
Saxophonisten Daniel Schnyder, die sich auf internationalem Parkett
einen guten Namen gemacht haben. - Man könnte das Name- Dropping
problemlos fortsetzten, bis das Mass voll wäre für eine
weitere CD. Da scheint es eigentlich angebracht, «Jazz in Zürich»
ein Volume II hinterher zu schicken.
Ueli Bernays, © Neue Zürcher Zeitung; 16.12.2004
Szene mit Stars
und Lücken
Eine CD-Box hat den Anspruch, die Zürcher Jazz-Szene
akustisch abzubilden. Das gelingt jedoch nur teilweise.
Wie zwei Kobolde fallen sie in virilem Zweikampf übereinander
her, die Posaune und das Piano. Sie umgarnen sich und weichen dann
doch wieder auseinander, um erneut auf Konfrontation zu gehen. Keiner,
der sich den Track zwölf der zweiten CD hört, würde
glauben, dass zwei Frauen dahinter stehen. Das macht erst der Titel
«Weibs» klar. Priska Walls und Gabriela Friedli, beide
um die 40, gehören zur Avantgarde der Zürcher Musikerinnen
im Spannungsfeld der freien improvisierten Musik zwischen Klassik
und Jazz. Eine Musik, die kaum je im Rampenlicht steht.
Und genau das ist der Zweck solcher Kompilationen: Sie erreichen Hörer,
die dieser Musik wohl nie begegnen würden. Patrik Landolt und
Nick Liebmann, zwei mit der aktuellen Szene eng verbundene Publizisten,
sind für die gelungene Auswahl verantwortlich. Sie beginnt 1986
mit der afrikanisch rollenden Komposition «Angel» von
Irene Schweizer und Louis Moholo und endet 2003 mit Nik Bärtsch
und seiner «Ritual Groove Music», wie er die durch «strenge
Komposition, Reduktion, Patternstrukturen sowie Auslotung der rhythmischen
Parameter» geprägte Musik nennt.
Bekannte Avantgarde
Insgesamt öffnet sich ein weites Spektrum aus neunzehn meist
kurzen Kostproben von Zürichs aktueller Szene. Naturgemäss
steht die Avantgarde mit Namen wie Pierre Favre, Christoph Gallio,
Co Streiff, Markus Eichenberger oder Urs Voerkel im Vordergrund, aber
auch traditionellere Musiker wie Nathanael Su.
Weniger straff und damit nicht ganz so befriedigend wirkt die erste
CD der Box, die der Frühzeit und dem Mittelalter gewidmet ist.
Hier ist die abzudeckende Periode dermassen gross, dass strikteres
Vorgehen Not getan hätte. Angesichts der Tatsache, dass die epochale
CD-Box «Jazz in Switzerland 1930-1975» (Elite) immer noch
erhältlich ist, sind die sich daraus ergebenden Doubletten ebenso
unverständlich wie die teilweise langen Aufnahmen. So finden
bloss 13 Tonbeispiele Platz.
Wichtige Abwesende
Schmerzlich vermisst man etwa die Tremble Kids, die bekannteste Trad-Band
der Schweiz, das Zürcher Urgestein Fred Boehler und den internationalen
Topstar Daniel Schnyder (ja, auch er ein Zürcher!). Schlicht
unerklärlich schliesslich die totale Abwesenheit von André
Berners internationalem Amateur-Jazz-Festival, das ab 1951 einen seither
nie mehr erlebten Motivationsschub für den Jazz ausgelöst
hat. Dem Anspruch «Jazz in Zürich» vermag das Album
darum nicht ganz zu genügen. Trotzdem ist es, nicht zuletzt auch
wegen der kompetenten Begleittexte, eine sehr empfehlenswerte Anschaffung
für all jene, denen die aktuelle Szene am Herzen liegt.
Ulrich Roth, © Berner Zeitung; 24.12.2004
* * *
Zurich en deux galettes
: un survol historique suivi d'un panorama de la scène contemporaine.
La chronologie très décousue du premier disque commence
tardivement avec les Original Teddies du clarinettiste Eddie Brunner
(1945) pour passer directement aux années soixante, faisant
ainsi l'impasse sur la décennie intermédiaire puis sautant
presque à pieds joints sur les années soixante-dix.
On y croise notamment Hans Kennel, aujourd'hui spécialiste
du cor des Alpes, en un temps où il boppisait la musique d'Ornette
à la trompette, un extrait de "African Piano" de
Dollar Brand (ECM, 1969), lrène Schweizer en disciple appliquée
de McCoy Tyner en 1964, le ténor vvebsterien d'Ernst Gerber
sur The Man I Love, Benny Bailey négociant Stella
comme on gagne un grand prix de Formule un, les big bands de Charles
Antonioli et de la radio DRS, les formidables Buddha's Gamblers dont
le trompettiste Heinz Bühler et le pianiste Buddha Scheidegger
réjouiront les nostalgiques de la période pré-bop.
Le second disque propose une diversité encore plus grande,
du néo-classicisme énoncé par le saxophoniste
Nathanael Su et le pianiste Fredi Lüscher à l'électro
experimental de Karl ein Karl, en passant par les "saxophones
post médiévaux" de Pierre Favre (cf. chronique
de "Saxophones" dans notre numéro de janvier). Influence
d'Irène Schweizer sur les vocations suisses? On remarque des
femmes instrumentistes d'envergure: la saxophoniste Co Streiff, la
pianiste Gabriella Friedli et la tromboniste Priska Walls. Souvent
radicale, cette Suisse-là est ouverte au monde, accueillant
plus ou moins durablement le Sud-Africain Louis Moholo (en duo avec
Irène Schweîzer), l'Américain Mark Turner (dans
un enregistrement, il est vrai, newyorkais d'un ancien élève
de la Juilliard, le pianiste Chris Wiesendanger), le Français
Erik Truffaz (avec le guitariste Harald Haerter), le chanteur anglais
Phil Minton (avec le Zoom Ensemble de Lucas Niggli), la chanteuse
kazakh Saadet Türkôz (en duo avec Joëlle Léandre)
et la chinoise Peggy Chew (en duo avec le pianiste Andrian Frey) ...
Ces deux points de vue zurichois auraient mérité des
publications distinctes et plus étoffées.
Franck Bergerot, Jazzman, Paris, Janvier 2005. Distribués
par Orkhêstra
"Jazz stands for innovation, open mindedness and joy of life..
In Zurich jazz has been played and listened to since the thirties
of the 20th century and especially during the last years an interesting
and internationally active jazz scene has developed here. Jazz is
contributing to the attractiveness and vitality of our city. Oftentimes
forms of art that address a minority are the ones that send out new
creative impulses and that contribute the most beautiful colours in
the mosaic of a manifold cultural life. The CD 'Jazz in Zurich' is
an adventurous journey through Zurich's jazz history. It mirrors aesthetic
developments and also sheds light on social change. If you listen
to the recordings of Elsie Bianchi-Brunner, Dollar Brand, Charly Antolini,
Irene Schweizer, Pierre Favre or Co Streiff you will discover a fantastic
cosmos, rich in styles, forms of expression, biographies and life
experiences. I would like to express my gratitude to all the musicians
and the entire jazz scene for this wonderful music that accompanies
us and enriches our lives." - Intakt quote from Elmar Ledergerber,
Mayor of Zurich, Switzerland.
The line-up features: Dollar Brand - African Piano, Hans Kennel Quintet,
Irene Schweizer-Louis Moholo, Lucas Niggli Zoom Ensemble, Pierre Favre,
Benny Bailey und Jazz Live Trio, Urs Voerkel, Co Streiff Sextet, Stephan
Wittwer, Saadet Turkoz, Christoph Gallio, Markus Eichenberger - Ivano
Torre, Elmar Ledergerber, Mayor of Zurich Eddie Brunner and His Original
Teddies, Elsie und Siro Bianchi-Brunner, Alex Rohr Quartet, Charly
Antolini, Jazz Rock Experience J.R.E., Metronome Quintet, DRS-Big
Band, Remo Rau Memorial Quintet, Buddhas Gamblers, Robi Weber Quartet,
Harald Haerter, Karl ein Karl, Nathanael Su - Fredi Luscher, Chris
Wiesendanger Quartet, Noisy Minority, Priska Walss - Gabriela Friedli,
Marianne Racine Quartet, Peggy Chew - Adrian Frey, Luigi Archetti
- Jan Schlegel & Nik Bartsch's Mobile Aer.
Considering there are some 32 tracks here, spanning sixty years (1945
til today) and all recorded in Zurich, it is amazing how much diversity
and creative spirit is found on this superb double CD. It spans the
history of jazz from a big band to jazz vocals to bebop to many types
of modern jazz and free improv. The enclosed booklet includes a short
history of jazz in Zurich, written in both Swiss and English. Most
of the pieces are previously unavailable, many are radio broadcasts
and many are indeed rarities. We get from folks like Hans Kennel in
1963, a couple of decades before he recorded discs for Hat Art. His
Quintet from '63 includes saxist Bruno Spoerri who was also a member
of an early fusion group called the Jazz Rock Experience (from 1970
& also included here) and who recently recorded with German trombone
hero Albert Mangelsdorff. Another historic group was the Alex Rohr
Quartet (from 1964) that included a young Irene Schweizer on piano,
Uli Trepte (future Guru Guru) on bass and Mani Neumeier (future Ash
Ra Temple) on drums. Although I am only familiar with about a dozen
of the 32 artists included, each piece is interesting in its own way.
Some of the highlights include Sal Nistico with the DRS Big Band,
a fabulous duo of Irene Schweizer & Louis Moholo doing a swell
South African groove tune and too many other gems to mention here,
from spirits known and unknown. -
Bruce Galanter, Down Town Music Gallery, New York, March
2005
Die Jazzvirulenz im heutigen
Zürich erklärt sich aus einer Jazzvergangenheit, die bis
in die 20er Jahre zurück reicht und die 2003 Gegenstand der Retrospektive
„Jazzstadt Zürich - Von Louis Armstrong bis Zürich
Jazz Orchestra“ war. Armstrong hatte am 30.11.1934 in der Tonhalle
gastiert. 50 Jahre später machte das TAKTLOS-Festival Zürich
zur ersten Adresse für die 'Lachenden Außenseiter‘.
Heute geht man ins Moods, in The Gig, die Widder Bar, andere lieber
ins WIM oder die Rote Fabrik. JAZZ IN ZÜRICH (Intakt 099, 2xCD)
fächert nun ein jazziges Historienpanorama der Stadt auf: Es
beginnt unmittelbar nach WW 2 mit Eddie Brunner and His Original Teddies,
die das Erbe des 1941 nach Mexiko emigrierten Swingkönigs Teddy
Staufer fortsetzten. Mit Elsie und Siro Bianchi-Brunner und vor allem
dem Hans Kennel Quintet springt man dann schon in die angebopten und
hardboppigen Sechziger. Der Trompeter Kennel, als Alphornist immer
noch aktiv, gehörte zu den avancierten Köpfen der Café-Africana-Szene,
die mit der Ankunft von Dollar Brand 1962 völlig neue Impulse
erhielt. Eine der Inspiriertesten war Irène Schweizer, die
1964 im Alex Rohr Quartet mit Uli Trepte am Bass und Mani Neumeier
an den Drums zu hören ist. Zwischen die Buddy-Rich-Resonanzen
des Mainstreamdrummers Charly Antolini und das standard-orientierte
Metronome Quintet ist mit der Jazz Rock Experience eine Formation
auf den Spuren von Cannonball Adderly gesandwicht, mit Bruno Spoerri
am Saxophon, Kennel an der Trompete und Raffael Waeber an der Gitarre.
Benny Bailey und Jazz Live Trio mit Klaus Koenig am Piano und die
DRS-Big Band unterstreichen die Rolle des Radios für die Verankerung
von Jazz in Schweizer Ohren, während das Remo Rau Memorial Quintet,
Buddhas Gamblers mit dem Amateur-Swingpianisten Buddha Scheidegger
und das souljazzige Robi Weber Quartet die Rolle wahrer Förderer,
Aficionados und lokaler Helden würdigen. CD 2 zeigt dann die
avancierteren Entwicklungen von Senioren wie Favre (*1937) bis zu
Youngstern wie Bärtsch (*1971): das Duo Irène Schweizer-Louis
Moholo, den Drummer Pierre Favre mit dem Arte 4tet & Michel Godard,
den weich gestimmten Gitarristen Harald Haerter flankiert von u.a.
dem Trompeter Erik Truffaz, das exzentrisch-experimentelle Trio Karl
ein Karl der WIM-Mitbegründer Peter K. Frey, Michel Seigner &
Alfred Zimmerlin, das Altosax-Piano-Duo Nathanael Su - Fredi Lüscher,
das Lucas Niggli-Zoom Ensemble und die abenteuerliche Turk-Sängerin
Saadet Türkös, das Chris Wiesendanger Quartet und der elegant-coole
Christoph Gallio mit seinem Day & Taxi-Trio, der 1999 verstorbene
Schlagzeuger Urs Voerkel im Duett mit Irène Schweizer, Omri
Ziegele mit seinem Trio Noisy Minority, das extraordinäre Posaune-Piano-Duo
Priska Walss - Gabriele Friedli, das Marianne Racine Quartet mit einer
gotländischen Polka, das faszinierende Klarinette-Drums-Duo Markus
Eichenberger - Ivano Torre mit drei kleinen Kichererbsengesängen,
Peggy Chew, die mit Adrian Frey am Piano ein chinesisches Volkslied
singt, das Co Streiff Sextet auf Orienttrip, die Gitarristen Stephan
Wittwer und Luigi Archetti, letzterer mit Jan Schlegel von Billiger
Bauer & Noisy Minority am Bass, und abschließend noch Nick
Bärtsch‘s Mobile Aer mit ihrer Ritual Groove Music. Die
unpuristische Auswahl zeigt, dass Weltstadt Zürich-Atmosphäre
nicht allein von 'Eingeborenen‘ wie Bärtsch, Haerter, Schlegel,
Streiff, Walss und Wittwer, sondern immer nur in Mischung mit 'Zugereisten‘
wie Chew, Rancine, Türkös, dem in Kamerun geborenen Niggli
oder dem in Israel zur Welt gekommenen Ziegele entsteht. Durch den
historischen Schwerpunkt von CD1 und den kosmopolitischen von CD2
zeigen die beiden Herausgeber, der Intakt-Leiter & WoZ-Redakteur
Patrik Landolt und der NZZ-Jazzkritiker & Drummer Nick Liebmann,
Zürich als kontinuierlich offene Gaststätte der allerschönsten
'Negermusik‘ und ihrer Schweizer Echos.
Rigo
Dittmann, Bad Alchemy, Deutschland, April 05
Ein hervorragendes
Meisterstück
Bereits die Schweizer Filmkomödie »Tschäss«
(1994) gewährte Einblicke in die Zürcher Jazzkeller der
50er-Jahre (Jugendkultur zwischen Anpassung und Aufbegehren). In 2003
begeisterten Ausstellung und Buch unter dem Titel »Jazzstadt
Zürich«, worin sich der Bogen über die frühe
Bedeutung jenes Musikstils bis in die heutige Szenenvielfalt erstreckte.
Stadtpräsident Elmar Ledergeber selbst regte an, als Ergänzung
möge eine klingende Dokumentation folgen. Keine leichte Aufgabe
für die beiden Kuratoren Patrik Landolt und Nick Liebmann. Ihnen
aber gelang ein hervorragendes Meisterstück, eine vergnügliche
und zugleich informationsreiche Doppel-CD zu kompilieren. Alle erdenklichen
Stilrichtungen sind auf den Tonträgern friedlich vereint: Mainstream,
Be Bop, Jazzrock bis hin zu experimentellen Spielformen. Ein geballtes
name dropping bleibe erspart, als Hinweis indes:
der erste Albumteil widmet sich historischen Aufnahmen und zeigt die
Entwicklung der vergangenen 60 Jahre. Der zweite Teil steigt Mitte
1980 ein und präsentiert mittlerweile auch internationale Aushängeschilder
der CH-Szene. Ein ausführliches Booklet nimmt sich den Hintergrundinformationen
zu allen 32 Aufnahmen bestens an.
Michael
Heisch, Skug, Juni 2005, Wien
Prolongeant l'exposition
Jazzstadt Zürich, von Louis Armstrong bis Zürich Jazz
Orchestra, ce double disque recense quelquesuns des jazzmen et
jazzwomen dont la route traversa, à un moment ou à un
autre, la cité helvète. Entreprise louable, mais comme
la plupart du temps en pareil cas, réductrice (oublis, choix
discutables) et frustrante (l'envie d'en savoir et écouter
plus). D' Elsie Bianchi-Brunner (voix grave et pénétrante)
à Priska Walss et Gabriela Friedli (duo trombone / piano zappé
à sa sortie et qu'il semble urgent de reconsidérer),
en passant par Charly Antonili, batteur virtuose, le Metronome
All Stars et les Buddhas Gamblers, deux des figures
emblématiques du jazz à Zürich, c'est un paysage
accidenté et attachant qui nous est présenté.
Au rayon des étrangetés, on retiendra le quartet du
trompettiste Hans Kennel qui en 1963 reprend le When will the
blues leave d' Ornette Coleman à la pure sauce be-bop,
l'hilarant Jazz Rock Experience (avec de nouveau Hans Kennel)
et le quartet de Robi Weber, copie conforme du Modern jazz Quartet.
Figure maternelle et essentielle du jazz suisse, Irène Schweizer
se taille la part du lion: pianiste influencée par McCoy Tyner
aux côtés du très coltranien Alex Rohr, mélodiste
inspirée en duo avec le grand Louis Moholo ou percussionniste
attentive aux côtés du regretté Urs Voerkel, elle
illumine de son génie cette heureuse et captivante compilation.
Luc Bouquet, Improjazz 117, Paris, juillet & août
2005
Bereits die Schweizer Filmkomödie »Tschäss«
(1994) gewährte Einblicke in die Zürcher Jazzkeller der
50er-Jahre (Jugendkultur zwischen Anpassung und Aufbegehren). In 2003
begeisterten Ausstellung und Buch unter dem Titel »Jazzstadt
Zürich«, worin sich der Bogen über die frühe
Bedeutung jenes Musikstils bis in die heutige Szenenvielfalt erstreckte.
Stadtpräsident Elmar Ledergeber selbst regte an, als Ergänzung
möge eine klingende Dokumentation folgen. Keine leichte Aufgabe
für die beiden Kuratoren Patrik Landolt und Nick Liebmann. Ihnen
aber gelang ein hervorragendes Meisterstück, eine vergnügliche
und zugleich informationsreiche Doppel-CD zu kompilieren. Alle erdenklichen
Stilrichtungen sind auf den Tonträgern friedlich vereint: Mainstream,
Be Bop, Jazzrock bis hin zu experimentellen Spielformen. Ein geballtes
name dropping bleibe erspart, als Hinweis indes:
der erste Albumteil widmet sich historischen Aufnahmen und zeigt die
Entwicklung der vergangenen 60 Jahre. Der zweite Teil steigt Mitte
1980 ein und präsentiert mittlerweile auch internationale Aushängeschilder
der CH-Szene. Ein ausführliches Booklet nimmt sich den Hintergrundinformationen
zu allen 32 Aufnahmen bestens an.
skug # | Michael Heisch | Wien, Fri 10. Jun. 2005
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