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Lucas Niggli / Sylvie Courvoisier




Lucas Niggle / Sylvie Courvoisier (deutsch):

Es war nicht zufällig, dass Sylvie Courvoisier und Lucas Niggli sich im März 1999 ins Studio in Zürich begaben, um ihre Improvisationen auf Band aufzunehmen. Das Duo hatte gerade zwei Tourneewochen hinter sich. Es gab viele spannende Momente, etwa in Lavin, einem kleinen Dorf im Engadin, wo das Publikum trotz der Lawinengefahr spontan ein Fest veranstaltete. Während dieser paar Konzerte haben Sylvie und Lucas alles noch irgendwie Klischeehafte abgelegt und stattdessen eine eigene Sprache entwickelt und verfeinert. Sie haben verstanden, dass die Intensität ihres Dialogs von seiner Beweglichkeit, seiner Entwicklung und seiner permanenten Erneuerung abhängt.

Vor dieser Tournee und dieser Aufnahme haben sich die Wege von Sylvie Courvoisier und Lucas Niggli bereits einige Male gekreuzt. Sie haben sich vor über zehn Jahren in Italien getroffen, bei einem Jazz-Workshop in Siena. Seit 1994 sind sie immer wieder als Duo oder sporadisch auch in anderen Formationen zusammen aufgetreten, wobei sie daneben weiter ihrer eigenen Arbeit nachgingen und dabei zahlreiche Kontakte knüpfen und Erfahrungen machen konnten.

Im Jahre 1997 folgten sie einer Einladung des Centre Culturel Suisse in Paris und traten zusammen mit dem Saxofonisten Urs Leimgruber und dem englischen Gitarristen Fred Frith bei einem improvisierten Konzert auf. Das eher zufällige Zusammentreffen mit dem vielseitigen Improvisator und Klangpoeten Frith hat Sylvie und Lucas motiviert, ihre Eigenständigkeit weiter zu betonen, ihre Suche nach neuen Klangerlebnissen fortzusetzen und dazu die Grenzen ihrer Instrumente auszureizen. Einige Monate später beschlossen sie, ihr Duo wieder aufleben zu lassen.

Der Werdegang dieser beiden jungen Musiker weist viele Gemeinsamkeiten auf. Beide haben bereits als Kinder ihre Faszination für ihr Instrument entdeckt. Beide haben gleichzeitig das Konservatorium und die Jazz-Schule besucht und beide haben sich schliesslich ihrem persönlichen «Lehrmeister» und späteren Partner zugewandt. So tritt Lucas Niggli auch heute noch regelmässig mit dem Schlagzeuger Pierre Favre in verschiedenen Formationen auf, während Sylvie Courvoisier weiterhin eine enge Zusammenarbeit mit dem Genfer Pianisten Jacques Demierre pflegt. Für beide ist die Auseinandersetzung mit Improvisation wie auch das Arbeiten an und mit Kompositionen sehr wichtig. Dennoch wollen sie weder als Jazzmusiker noch als klassische Interpreten eingestuft werden. Sie wollen lieber «anders» sein.

Geht es hier um eine Generationenfrage? Lucas Niggli jedenfalls ist der Ansicht, dass die Kontinuität einer hypothetischen linearen Evolution des Jazz unterbrochen worden ist. Es geht heute nicht darum, gegen die Vorgänger, gegen allzu übermächtige Vaterfiguren zu rebellieren. Die Situation ist zu komplex, um mit nichtssagenden Etiketten zu argumentieren. Es wird sich bald erweisen, dass die querschnittartige, genreübergreifende Annäherung an die musikalischen Genres in sich kohärent ist. Für den Zürcher Schlagzeuger und Perkussionisten wie für die Lausanner Pianistin beruht die Identität im Wesentlichen auf ihrer kompromisslosen Arbeit mit Tönen und Klanglichkeiten, auf ihrer Suche nach einer neuen, ganz persönlichen Musik.

Wenn es zwangsläufig ist, dass Sylvie Courvoisier und Lucas Niggli an diesem Märztag im Studio zusammentreffen, dann deshalb, weil dies Ausdruck einer musikalischen Symbiose ist. Bereits in ihrem ersten Stück, welches hier unter dem Titel «Contreparties» zu hören ist, wird klar, dass die beiden perfekt miteinander harmonieren. Man spürt sofort, wie sie die Stille auf nicht alltägliche Weise handhaben, um Töne und Resonanzen um so stärker hervorzuheben. Sie suchen und finden auch Übereinstimmungen, Überschneidungen der Möglichkeiten ihrer jeweiligen Instrumente, als würden sie die Grundlagen ihres Dialogs in Musik umsetzen.

Bei Sylvie Courvoisier erscheint das Klavier mehr denn je als Kombination von Resonanzkörpern, Saiten und Hämmern. Entsprechend präpariert, etwa mit geschicktem Platzieren von Klebebändern oder anderen Objekten sowie durch die verschiedenartigsten Einwirkungen wie Kratzen, Reiben, Schlagen usw. kann es sich in ein Perkussions-Ensemble verwandeln. Lucas Niggli vermag aus seinen Trommeln, Becken und anderen Perkussionsinstrumenten jeglicher Grösse ungeahnte Melodien hervorzuzaubern. Die beiden Musiker beschränken sich jedoch nicht auf das parodistische Element, sondern vermischen und vertauschen dank ihrer extensiven Nutzung der Instrumente die Rollen nach Belieben, sodass letztlich die Perspektiven verschoben werden.

In ihren Improvisationen, die wie ein gemeinsames, instinktives Zusammenspiel anmuten, greifen sie ein Motiv auf, verarbeiten es jeweils auf eigene Weise, um schliesslich in einem kreativen Spannungsfeld ihre persönlichen Eindrücke zu konfrontieren und schliesslich zu vereinen. Sie geben ein konstantes Tempo vor, um dieses sogleich wieder zu durchbrechen; ein anderes Mal erfinden sie einen persönlichen, intersubjektiven Rhythmus, wie durch eine gemeinsame Energie verbunden. Oder sie schöpfen aus ihren gemeinsamen oder gegensätzlichen Emotionen, verzerren willentlich ihre romantischen Inspirationen oder lassen aus einer scheinbar chaotischen Urmaterie aus Klängen ein Liebeslied entstehen.

Sylvie Courvoisier und Lucas Niggli haben auf diese Weise mehrere Stunden Musik aufgenommen und dabei unbekannte Gebiete erforscht und neue Wege beschritten. Dieser kreative Prozess gab den Anstoss für dieses Album. Entstanden ist die Quintessenz eines spannenden musikalischen Abenteuers.

Pierre-Yves Borgeaud

Lucas Niggle / Sylvie Courvoisier (english):

Was it inevitable that Sylvie Courvoisier and Lucas Niggli should get together in a Zurich studio one March day in 1999 to record their improvised pieces? The duo was just back from a two week tour, marked by such highlights as the concert in Lavin, a small village in the Engadin, where, on the spur of the moment, the audience decided to overlook an impending avalanche warning and make a party of it. In the course of this concert tour, Sylvie and Lucas eliminated the last vestiges of reassuringly familiar musical cliches they may still have been burdened with, developing and refining shared reflexes and a common idiom instead. They also gained an awareness of the fact that the intensity of their dialogue was dependent on its movement, evolution and permanent renewal.

The paths of Sylvie Courvoisier and Lucas Niggli had already crossed on several occasions previously. They first met in Italy over ten years ago, at a jazz workshop in Siena. Since 1994, they performed together regularly and occasionally played in other groups, each pursuing an intense personal career and multiplying parallel encounters and experiences all the while. In 1997, they were invited to play at the Centre Culturel Suisse in Paris at a concert of improvised music which also featured saxophonist Urs Leimgruber and British guitarist Fred Frith. The seemingly chance encounter with this poetic sound manipulator and indefatigable improviser strengthened their resolve to consolidate their specific approach, notably the investigation of sounds going beyond those conventionally associated with their particular instruments. A few months later, they decided to relaunch their duo.

There are definite similarities in the musical background and progression of these two young artists. Both were passionately interested in the instrument of their choice from childhood on. Both attended the Conservatory as well as jazz school. Both finally left these institutions behind, choosing a more personalised apprenticeship with a teacher, who over the years was also to become a musical partner. Today Lucas Niggli performs in various bands with percussionist Pierre Favre, and Sylvie Courvoisier continues to work in close cooperation with Geneva pianist Jacques Demierre. Finally, though both are at ease with improvisation and composition, and claim to be influenced by jazz and contemporary music in equal measure, they refuse to define themselves strictly within either canon, resolutely opting for «a space apart».

What about the generational aspect? According to Lucas Niggli, the idea of a hypothetically linear evolution of jazz forms has definitely had its day. Nor is their work a revolt against the predecessors, the mighty shadows cast by the father figures. Musical genres are no longer named and numbered, the situation has grown infinitely more complex. A transversal approach predominates, and will doubtless soon prove how coherent it is. For both musicians – the drummer and percussionist from Zurich and the pianist from Lausanne – musical identity is primarily shaped by a rigorous concentration on sounds and sonority, in the quest for a new music that is above all personal.

The truly inevitable character of the encounter between Sylvie Courvoisier and Lucas Niggli on that day in March comes to light in the music itself. The intentions they share, the compatibility of their approach – both are apparent from the very first piece they recorded, featured here under the title «Contreparties». They also have in common that rare capacity to use silence as a means to enhance the world of timbre and resonance. Seeking and finding the points at which their instruments correspond to or intersect each other, they set the musical stage for their dialogue.

The piano as played by Sylvie Courvoisier seems more than ever to be reduced to its bare essentials: resonating body, strings and hammers. Expertly placed strips of adhesive tape or other objects divert it away from the sounds one expects. Scratched, rubbed, brushed or struck in manifold ways, her piano metamorphoses into a set of percussion instruments. As for the various cylinders and cymbals, the vast range of small and large objects that make up a conventional percussion set – under the touch of Lucas Niggli's fingers or sticks they become extraordinary melody-making tools. The musicians by no means limit themselves to mere imitation or parody – the generous scope they give their instruments enables them to approach them from a new perspective, exchanging, alternating or combining their roles at will.

In their improvisations, which they conceive of as a form of instantaneous and instinctive four-handed composition, they sometimes seize upon a motif that each renders in tiny elusive touches or bold strokes, before opposing and superposing these «sketches» in fruitful confrontation. Sometimes they introduce an unvarying beat which they seemingly try to escape from; or they invent a personal intersubjective rhythm that appears to spring from a single source of energy. Sometimes they reach for an array of concordant or contradictory feelings, willfully interrupting a romantic flight of fancy or drawing a love song out of what appears to be a shapeless sound magma.

Sylvie Courvoisier and Lucas Niggli recorded several hours of music in this manner, blazing new trails through undiscovered lands, exploring a sonic world that gave rise to this disc – the quintessential record of a breathtaking musical adventure.

Pierre-Yves Borgeaud

Translation: Zosia Rozankowska

Lucas Niggle / Sylvie Courvoisier (francais):

Il y a comme une évidence dans le fait que Sylvie Courvoisier et Lucas Niggli se retrouvent en studio à Zurich, un jour de mars 1999, pour fixer sur bandes leurs pièces improvisées.

Le duo sort de deux semaines de tournée. Il y a eu beaucoup de moments forts, comme à Lavin, ce petit village d'Engadine, où, contre les menaces d'avalanches, les spectateurs ont spontanément choisi de faire la fête. Durant ces quelques concerts, Sylvie et Lucas ont abandonné ce qu'il pouvait rester de leurs clichés rassurants pour développer et affiner plutôt des réflexes communs, un langage à eux. Ils ont compris aussi que l'intensité de leur dialogue dépendait de son mouvement, de son évolution, de son renouvellement permanent.

Avant cette tournée et cet enregistrement, les chemins de Sylvie Courvoisier et Lucas Niggli se sont déjà croisés quelques fois. Ils se sont rencontrés en Italie il y a plus de dix ans, à l'occasion d'un atelier de jazz à Sienne. Dès 1994, tout en menant en parallèle un travail personnel intense et en multipliant les rencontres et les expériences fertiles, ils se sont retrouvés en duo, et brièvement dans d'autres formations. En 1997, ils ont aussi été invités ensemble par le Centre Culturel Suisse à Paris, pour un concert improvisé avec le saxophoniste Urs Leimgruber et le guitariste britannique Fred Frith. Au-delà de cette rencontre en apparence fortuite avec ce poète bricoleur de sons et insatiable improvisateur, Sylvie et Lucas ont su voir comme une incitation à affirmer leur particularité, notamment dans une recherche sur les matières sonores hors des limites convenues de leur instrument. Quelques mois plus tard, ils décidaient de relancer leur duo.

Dans le parcours de ces deux jeunes musiciens, il y a aussi d'incontestables similitudes. Tout deux se sont pris de passion pour leur instrument dès l'enfance. Tout deux ont fréquenté à la fois le Conservatoire et l'école de jazz, préférant finalement à ces institutions l'enseignement personnalisé d'un «maître» devenu au fil des ans leur partenaire. Comme Lucas Niggli joue aujourd'hui avec le batteur Pierre Favre dans diverses formations, Sylvie Courvoisier continue de collaborer étroitement avec le pianiste genevois Jacques Demierre. Enfin, s'ils abordent avec la même aisance improvisation et pièces écrites, s'ils revendiquent autant l'influence du jazz que celle de la musique contemporaine, tout deux ne se considèrent ni comme des jazzmen ni comme des interprètes classiques. Ils préfèrent être «ailleurs».

Il y a peut-être là une affaire de génération. Selon Lucas Niggli, la continuité est rompue avec une hypothétique évolution linéaire des formes du jazz. Il ne s'agit pas non plus de se révolter contre les prédécesseurs, contre des figures paternelles trop pesantes. Les étiquettes sont vides de sens, la situation plus complexe. Par rapport aux genres musicaux, l'approche est transversale et sa cohérence ne devrait pas tarder à se révéler. Pour le batteur et percussionniste zurichois comme pour la pianiste lausannoise, l'identité se forge plutôt dans le travail rigoureux sur les sons et la sonorité, dans la quête d'une musique nouvelle qui soit avant tout personnelle.

S'il y a une évidence dans le fait que Sylvie Courvoisier et Lucas Niggli se retrouvent en studio ce jour de mars, c'est surtout musicalement qu'elle s'impose. Dès la première pièce qu'ils enregistrent, audible ici sous le titre «Contreparties», apparaît leur profonde communauté d'intentions, la compatibilité de leurs approches. D'emblée on sent chez eux une façon peu commune d'utiliser le silence pour mettre en valeur la richesse des timbres et des résonances. Ils cherchent et trouvent les correspondances, l'intersection des possibles de leurs instruments respectifs, comme une mise en musique des conditions de leur dialogue.

Le piano selon Sylvie Courvoisier semble plus que jamais fait d'une caisse résonnante, de cordes et de marteaux. Préparé, détourné parfois de ses sonorités attendues par le savant placement de bandes adhésives et autres objets; gratté, frotté, brossé ou frappé de différentes manières, il peut se transformer en un ensemble de percussions. Quant aux multiples fûts et cymbales, toute cette panoplie de petits et grands instruments dits de percussion, ils peuvent devenir sous les doigts et les baguettes diverses de Lucas Niggli d'extraordinaires outils mélodiques. Reste que les deux musiciens sont loin de se cantonner avec ça dans la banale imitation. Leur vision élargie de l'instrument leur permet avant tout d'échanger, de mêler ou d'alterner les rôles à leur guise, de varier en somme les perspectives.
Dans leur improvisation conçue comme une écriture à deux dans l'instant et dans l'instinct, ils vont s'emparer ici d'un motif dont ils dessinent les contours chacun à sa manière, par touches elliptiques ou par traits saillants, pour confronter et superposer leurs «calques» personnels dans une fructueuse tension. Là, ils vont suggérer un tempo invariable tout en faisant mine de s'en échapper, ou alors s'inventer un rythme personnel intersubjectif comme lié à une énergie commune. Ailleurs encore, ils vont aller puiser dans une palette d'émotions consonantes ou contradictoires, brouillant volontairement leurs élans romantiques ou extirpant un chant d'amour d'un magma sonore en apparence chaotique.

Sylvie Courvoisier et Lucas Niggli vont enregistrer comme ça plusieurs heures de musique, explorant des territoires vierges, dégageant de nouvelles pistes. C'est cette matière foisonnante qui a donné lieu à cet album. Le condensé d'une passionnante aventure musicale.

Pierre-Yves Borgeaud

INTAKT CD058


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