In
April 2006, Courvoisier reconvened the quintet with Mark Feldman, Vincent
Courtois, Ikue Mori, Gerald Cleaver at Théâtre Vidy-Lausanne
in Switzerland for a four-night stand. Stands such as this were once
the ubiquitous proving ground for improvisers working through jazz,
but are now a rarity. Still, it was the perfect laboratory for a project
like Courvoisier’s, and the performances could not have occurred
at a better interval to test the cure. Lonelyville confirms that the
wait paid off handsomely, as it is a marker for a contemporary compositional
sensibility that is both distinctly formal and performer-specific.
Subsequently, Courvoisier’s approach to compositional form goes
beyond designing a set of relationships between materials, but a set
of relationships between musicians, as well.
Matching musicians and materials is a time-honored convention, but rarely
has a composer composed for such diverse artists as Courvoisier for
this project. Her motivation was simple: They are all longtime friends
and colleagues. Still, the spectrum of colors created in these performances
by Ikue Mori, Mark Feldman, Vincent Courtois and Gerald Cleaver is stunningly
wide. Mori, Courvoisier’s cohort in Mephista, a co-op trio rounded
out by Susie Ibarra, can approximate gurgling water one moment and the
hydraulics of a futuristic deus ex machina the next. Whether he is nailing
treacherous passages whose fingerings practically careen off the fingerboard
or sawing chords with abandon Courtois constantly tests the extremes
of his instrument. The complete percussionist, Cleaver can slip into
an interlude with supple textures or whip up frenzy with powerhouse
drumming. And, Feldman simply does it all.
Courvoisier the pianist is just as central to the album as Courvoisier
the composer. Her playing is as varied as that of her cohorts, spanning
quiet reverence and by-the-throat intensity. Whereas some pianists can
only make their presence felt when unleashing torrents, Courvoisier
makes an impact even in her most minimal moments. Her technique is immaculate,
but it is never an end in itself; it invariably serves the emotional
truth of the moment, which in turn serves the overall design of the
composition. This is an aspect of her art she has cured as carefully
as her compositions.
With Lonelyville, Sylvie Courvoisier reached the horizon she first
glimpsed in 2004, and which came into full view in 2005. Undoubtedly,
she is already eyeing another horizon, and curing a new body of work
to reach it.
Bill Shoemaker · Liner Notes
dt
Im
April 2006 rief Sylvie Courvoisier erneut ihre Musikerfreunde Mark Feldman,
Vincent Courtois, Ikue Mori und Gerald Cleaver zusammen, um als Quintett
an vier Abenden hintereinander im Schweizer Théâtre Vidy-Lausanne
aufzutreten. Mehrtägige Livekonzerte dieser Art waren früher
eine durchaus übliche Bewährungsprobe für Jazzmusiker
in Sachen Improvisation, sind aber inzwischen eine echte Seltenheit
geworden. Die Konzertreihe in Lausanne war das ideale Versuchsfeld für
Courvoisiers Projekt. Die Konzerte fanden im idealen Zeitabstand voneinander
statt, um die Chemie gründlich zu testen. Das Warten hat sich gelohnt,
denn mit dem Live-Album Lonelyville setzt Sylvie Courvoisier neue Maßstäbe.
Ihre modernen Kompositionen offenbaren eine unglaubliche Sensibilität,
weil sie auffällig formal angelegt, gleichzeitig aber speziell
auf die Bandmitglieder zugeschnitten sind. Ihr kompositorischer Ansatz
beschränkt sich nicht auf die Gestaltung von Beziehungen zwischen
einzelnen musikalischen Elementen, sondern erstreckt sich auch auf die
Beziehung der beteiligten Musiker untereinander.
Die Zusammenführung von Musikern und Material ist im Grunde nichts
Neues, doch nur selten hat es jemand geschafft, Kompositionen für
derartig unterschiedliche Künstler zu schreiben, wie es Courvoisier
mit diesem Projekt gelingt. Ihre Motivation war einfach, denn alle Bandmitglieder
sind langjährige Freunde und Kollegen. Dennoch – das Spektrum
der Darbietungen von Ikue Mori, Mark Feldman, Vincent Courtois und Gerald
Cleaver ist in seiner Breite absolut spektakulär. Ikue Mori arbeitete
bereits mit Courvoisier in dem Trio Mephista zusammen, das von Susie
Ibarra komplettiert wurde. Die Japanerin erzeugt in einem Moment Klänge
wie plätscherndes Wasser, im nächsten Augenblick erinnert
ihr Sound an die Hydraulik eines futuristischen Deus ex machina.
Vincent Courtois führt sein Cello immer wieder an die äußersten
Grenzen – ob er in tückischen Passagen mit hämmernden
Fingerspitzen übers Griffbrett fliegt oder mit Leib und Seele Akkorde
sägt. Gerald Cleaver ist ein vollendeter Perkussionskünstler:
Mal lässt er sich in ein Zwischenspiel mit elastischen Strukturen
gleiten, im nächsten Moment holt er mit frenetischem Powerhouse-Drumming
den Hammer raus. Und Mark Feldman kann auf der Violine einfach alles.
Sylvie Courvoisier spielt als Pianistin eine ebenso zentrale Rolle für
dieses Album wie als Komponistin. Ihr Spiel ist genauso abwechslungsreich
wie das ihrer Bandkollegen: ruhige, fast andächtige Momente im
Wechsel mit einer Intensität, die einem den Atem stocken lässt.
Es gibt Pianisten, deren Präsenz sich nur entfaltet, wenn sie Wirbelstürme
loslassen, doch Courvoisier hinterlässt ihre Wirkung auch in extrem
minimalistischen Momenten. Ihre Spieltechnik ist makellos, aber sie
dient stets nur als Mittel zum Zweck, gehorcht sie doch einzig der emotionalen
Wahrheit des Augenblicks, den sie wiederum in die Gesamtgestaltung der
Komposition einfließen lässt. Diesen Aspekt ihrer Kunst pflegt
Courvoisier genauso liebevoll wie die Stücke selbst.
Mit Lonelyville hat Sylvie Courvoisier den Horizont erreicht, den sie
erstmals 2004 erspähte und 2005 voll im Visier hatte. Kein Zweifel,
dass sie den nächsten schon gesichtet hat und an einem neuen Konzept
arbeitet, um ihn zu erreichen.
Text: Bill Shoemaker
Übersetzung: Günter Feigel
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